GB Telegramm: Citrus-Kultur

Gärtnermeister Peter Vornholt aus dem Bad Homburger Schlossgarten gibt Auskunft.



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Interview: Peter Vornholt, Anke Schmitz ∗ Fotos: Peter Vornholt ∗ Textbearbeitung: Anke Schmitz ∗ Lektorat:Ruthild Kropp ∗ Bildquelle „Stillleben mit Zitronen auf einem Teller“ von Vincent van Gogh, 1887, in Sidebar: Wikimedia Commons  


GB: Hi Peter! Vielen Dank, dass du GRÜNES BLUT zum Thema „Citrus-Kultur“ Auskunft gibst. Fange ich unten am Citrus an: Wie sollte die Erde für die Citrus-Kultur beschaffen sein?

PV: Bei unserer Erde achten wir darauf, möglichst leichte und lockere Erde zu verwenden. Wir mischen unsere Citruserde mit eigenen Bestandteilen, greifen aber auch auf industriell hergestellte Erden zurück. Dabei machen wir gute Erfahrungen mit Dachsubstraterden, denen wir zusätzlich 1/3 von unserer eigenen Komposterde beimischten. Seit Jahren geben wir diesen Erden den Citrusdünger von Oscar Tintori „Chicchi di Sole“ im April und noch einmal Anfang Juli hinzu. Aus eigener Erfahrung, die uns leider einige Citruspflanzen gekostet hat, achten wir darauf, dass der pH-Wert im Substrat auf keinen Fall unter 5,5 sinkt. Also gar nicht so sauer, wie man häufig hört. Aufgrund der Verwendung eines physikalisch sauer wirkenden Flüssigdüngers sank der pH-Wert vor einigen Jahren im gesamten Bestand auf z. T. unter 4. Die Folge waren zuerst Blattfall, dann Wachstumseinstellungen und dann der in Stresssituationen bei Citrus üblich vorkommende Befall von Colletotrichum. Nimmt man übrigens mal Erdproben von Citrusplantagen aus dem Urlaub mit nach Hause, so misst man ebenfalls meist sehr hohe pH-Werte.

GB: Wie wird der Citrus richtig gegegossen?

PV: Grundsätzlich gilt: lieber zu wenig als zu viel! Sollten mehrere Pflanzen vorhanden sein, ist nach individuellem Bedarf der Pflanze zu gießen, abhängig von Faktoren wie Blattbestand, Wüchsigkeit und Standort. Das Wässern sollte also nie in regelmäßigen, gleichen Abständen erfolgen. Im Winter gießen wir bei starker Wintersonne und offener Orangerie nach etwa einer Woche, manchmal aber auch erst nach zwei Wochen. Sprich: Man sollte die Citruspflanzen täglich beobachten und, wenn man sich nicht sicher ist, ein leichtes Herabhängen der Blätter abwarten, bei gleichzeitiger Trockenheit des Substrats. Nicht jedes Hängen der Blätter ist ein Zeichen von Trockenheit. Bei Staunässe können die Blätter ebenfalls traurig herunterhängen. Ein Kratzen am oberen Substrat, z. B. mit einem Holz, gibt hier Aufschluss.

GB: Der derzeit lästigste Schädling an den Citrus-Pflanzen und erprobte Mittel dagegen?

PV: Seit dem pH–Wert-Desaster konnten wir die intensive Bekanntschaft mit der Citrus-Wollsacklaus machen. Auch nach der Gesundung der Erde ist sie ein steter Gast an unseren Citrus und saugt auch durchaus an den verholzten Teilen der Pflanzen. Sie versteckt sich gerne auch unter Blättern und in Nischen, die nicht so gut einsehbar sind, besonders wenn die Pflanze sehr dicht gewachsen ist. Aus dem Reichenauer–Gärtner–Centner, aus dem wir seit etlichen Jahren unsere Nützlinge beziehen, bekamen wir die Nützlingsempfehlung von Rodolia cardinalis. Diese brachten wir sowohl im Citrusbestand im Gewächshaus als auch, bei Temperaturen über 18°C, in der Orangerie aus. Daraufhin fanden wir viele parasitierte, von innen ausgefressene Wollsacklaushüllen. Beide Insekten stammen ursprünglich aus Australien und sind dort natürliche Kontrahenten. Die Kollegen auf der Mainau haben mittlerweile eine eigene Kultur der Rodolia in ihrem Gewächshaus aufgebaut, da der regelmäßige Kauf nicht gerade billig ist. Um den Befall vor dem Nützlingseinsatz zu reduzieren, sind wir mit einem Bunsenbrenner aus dem Baumarkt durch den Bestand gegangen und haben jedes von uns erkannte Tier abgebrannt. Leichte Blattbeschädigungen nahmen wir dabei in Kauf. Nur so konnten wir auch die Jungtiere in den Säcken, am hinteren Teil der Läuse, erfolgreich bekämpfen. Diese platzen nämlich auf und die Jungtiere schwärmen mit einer ungeheuren Schnelligkeit zu neuen Saugstellen auf der Pflanze aus.

GB: Wie und wann wird der Citrus geschnitten?

PV: Viele Kollegen schneiden ihre Citrus ab Februar in den Winterquartieren. Je nach Kronenbewuchs bekommen sie dort einen mehr oder weniger starken Schnitt, der zugleich auch die Kronenform korrigieren soll. Wir im Bad Homburger Schlossgarten schneiden unsere Citrus nach Bedarf, wenn diese  wirklich mit einigen Trieben zu lang werden und auch wenn die Krone zu dicht geworden ist. Diesen Schnitt nehmen wir nicht dringend im Winterquartier vor, sondern auch am Sommerstandort, wenn die Schere mal einsatzbereit sein sollte. Äste, die nach innen wachsen, werden grundsätzlich entfernt und Zweige, die lang aus der Krone herauswachsen, werden eingekürzt. Ansonsten hilft auch ein Wissen über den Obstbaumschnitt. Nur bitte nicht so radikal.

GB: Was tun, wenn ich den Citrus aus dem Winterquartier geholt habe und dann doch nochmal ein leichter Frost kommt?

PV: Tja, trotz Klimawandel handeln wir da noch immer „old school“. Wenn auch Oleander, Palmen und Feigen bereits Ende April ins Freie kommen, genießen unsere Citrus ihr Bleiberecht in der Orangerie bis nach den Eisheiligen am 15. Mai. Sollte dann noch einmal Frost angesagt sein, reicht das Abdecken der Pflanzen mit einem Vlies. Bei den Hochstämmen ist die Gefahr nicht so hoch, da es sich in den Fällen meist um leichten Bodenfrost handelt.

GB: Lieber Peter, herzlichen Dank, dass wir an deinem Erfahrungsschatz teilhaben dürfen!