GB Telegramm: Coppicing

Der Gartenplaner, -autor und Redner Torsten Matschiess vom Garten Alst In Brüggen gibt Auskunft.


Lesezeit: 5 Minuten
Texbearbeitung: Anke Schmitz ∗ Lektorat: Dr. Ruthild Kropp ∗ Beitragsbild: Jacob van Ruisdael „Landscape with a cottage and a tree“, 1646, Hamburger Kunsthalle ∗ Bildquelle: Wikimedia commons



GB: Lieber Torsten. Man hört den Begriff immer wieder mal, neuerdings auch häufiger im Kontext zeitgenössischer Gartenkunst. Was ist Coppicing?

TM: Das lässt sich nicht pauschal beantworten, denn die Begriffe sind hier nicht eindeutig und die Kulturformen unterscheiden sich von Land zu Region und in ihrer konkreten Nutzungsart. Grundsätzlich meint es einen jährlichen oder zumindest in regelmäßigen Abständen stattfindenden Rückschnitt von Gehölzen. Dieser erfolgt zumeist Bodennah – oder bei Kopfbäumen am Stamm – und die Gehölze treiben aus schlafenden Augen am Stamm oder aus dem Wurzelstock neu aus. Zu dieser Art von Verjüngung durch diese extremste Form von Störung sind viele, wenn auch nicht alle Gehölze fähig.

GB: Warum macht man das? Welchen gestalterischen Aspekt will man damit erzielen?

TM: Hier sei kurz mal auf die Coppicing-Demonstrationspflanzungen von Marc-Rajan Köppler und Jonas Reif in Dresden verwiesen, die sich nicht nur an Traditionen und Kulturlandschaften orientieren, sondern urbanen Spontanbewuchs in den Fokus nehmen. Sie kombinieren Stauden, Gräser und Gehölze zu pflegeleichten Mischpflanzungen mit einem gemeinsamen Rückschnittstermin und ihr Projekt genießt damit Vorbildcharakter für Parks und öffentliches Grün. Allerdings sollte man beachten, dass auch beim Coppicing die Gehölze mit den Jahren immer größer werden. Ihr oberirdisches Wachstum ist jeweils nur auf ein Jahr limitiert und damit ähneln sie Stauden. Gleichzeitig können ihre Wurzeln ungehindert weiter wachsen und ermöglichen damit eine enorme Dynamik, die einen sehr viel stärkeren Ausschlag zulässt. Was sind Großstauden, wie Aralien, Silphien oder Weidenblättrige Sonnenblumen gegen einen Blauglockenbaum mit einem einjährigen Trieb von 6 Metern Höhe und Blättern mit einem Durchmesser von 80 Zentimetern?
Ein sehr interessanter Aspekt ist der sehr geringe und vereinfachte Pflegebedarf bei größeren Pflanzungen oder im öffentlichen Grün. Es gibt keinen Hausmeisterschnitt mehr, nur einen vollständigen Rückschnitt sämtlicher Pflanzen im Winter. Auch entwickeln ständig gestörte Gehölze kein Interesse an einer generativen Verjüngung. Es kommt also kaum zur Versamung.

GB: Wie und wann führt man diesen Schnitt durch?

TM: Das ist davon abhängig, welches Bild du erzielen willst. Bei einer natürlichen Hecke willst du ein Verkahlen im unteren Wuchs vermeiden und Dichte bewahren. Also schneidest du nach Bedarf mit dem Ziel der stärkeren Verzweigung im Unterwuchs.
In der Beetgestaltung möchte man entweder die gesamte Energie in einen oder wenige, dann sehr hohe Triebe lenken. Beim beliebten Schwarzen Holunder erfolgt hierzu ein boden-, knie bis hüfthoher Rückschnitt kurz vor dem Neuaustrieb und ein zweiter Rückschnitt drei Wochen später lichtet noch einmal Zweidrittel der Triebe aus. Die verbleibenden Triebe werden dann sehr hoch und wachsen bogig überhängend. Verzichtet man andererseits auf das Auslichten, wächst das Gehölz kompakter und dichter, weniger elegant aber auch weniger bruchanfällig.

GB: Welche Gehölze eignen sich?

TM: Da wären zum einen zahlreiche einheimische Gehölze, wie Haselnuss, Weißdorn, Pappel, Erle, Faulbaum, Hainbuchen und Buchen, somit auch sämtliche Gehölze, die man als Heckenpflanzen kennt. Ferner Götterbaum, Tamariske, Perückenstrauch, Tulpenbaum, Hartriegel und sogar Küstenmammutbäume. Gerade im Stadtklima urbaner Lebensräume eignen sich zahlreiche Exoten, gerne auch aus subtropischen Regionen oder Wüsten. Hierzu sehr lesenswert: CityTrop von Jonas Reif.

GB: Woher stammt das Coppicing?

TM: Das lässt sich kaum lokalisieren, da diese Form der Holzbewirtschaftung in vielen Regionen und unterschiedlichen Ausprägungen vorkommt. In Norddeutschland kennt man die heute unter Schutz gestellten Wallhecken oder Knicke. Das sind mit Gehölzen bepflanzte Aufschüttungen von einem Meter Höhe und zwei Meter Breite. Regelmäßig wurden die Gehölze geknickt, daher der Name. Als Einfriedung von Ländereien dienten diese Hecken seit dem Mittelalter militärischen Zwecken, wurden also zur Verteidigung erbaut. Man kennt sie aber auch neben Wegen. Dort schützen sie die Feldfrucht vor Wind und dem Verbiss durch Wildtiere.
In der Lüneburger Heide kannte man den Stühbusch, regelmäßig auf den Stock gesetzte Eichen, deren Rückschnitt als Bauholz oder Energieträger verwendet wurde. Anderen Regionen kennen die Schneitelung als ein Abernten der Triebe und des Laubs von Weiden und Gemeinen Eschen zu Futterzwecken.
Grundsätzlich dienten alle diese Formen von Holzwirtschaft der Versorgung mit Tiernahrung oder Brennholz und dürften damit aus einer Zeit stammen, als unsere Vorahnen sesshaft wurden. Mich würde mal interessieren, wann es Einlass in die Gartenkultur fand.

GB: Lieber Torsten, vielen Dank für dieses Telegramm.

 


Wer noch mehr von Torsten lesen möchte, dem empfehle ich noch das  Interview „Eigentum verpflichtet!“ auf Grünes Blut!

Über sein Buch „Avantgardening“ spricht Torsten mit berlingarten.de.

 


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