Schlossgärtner Peter Vornholt aus dem Schlossgarten Bad Homburg berichtet im Gespräch mit Grünes Blut über „Alte Apfelsorten“.
Lesezeit: 5 Minuten
Interview: Peter Vornholt, Anke Schmitz ∗ Textbearbeitung: Peter Vornholt, Anke Schmitz ∗ Lektorat: Dr. Ruthild Kropp ∗ Beitragsbild: Brigitte Hofherr Malus domestica ‚Schoener von Nordhausen‘, 2020, 150×130 cm, Ölfarbe auf Gewebe, fotografiert von Doro Burkhardt.
GB: Hey Peter, in eurem Apfelquartier im Bad Homburger Schlossgarten habt ihr ausschließlich sogenannte „Alte Apfelsorten“. Was bedeutet diese Bezeichnung eigentlich?
PV: Mit den alten Apfelsorten verbinde ich immer zunächst Lokalsorten. Diese kann man an dem Ortsnamen in der Sortenbezeichnung erkennen, was aber nicht ausschließt, sie auch an ganz anderen Orten anzutreffen. Lokalsorten können auch Apfelsorten sein, die sich besonders gut an die örtlichen Begebenheiten als Sortenstandort angepasst haben. Auch hier sollte man vielleicht vor der Pflanzung mal über den Gartenzaun schauen, um in der Nachbarschaft zu hören, mit welchen Apfelsorten man in der Gegend gute Erfahrungen gemacht hat, was natürlich eigene Versuche nicht ausschließen soll. Im Schlossgarten von Lembeck hatten wir einen großen Bestand an alten Apfelbäumen, zu denen neben dem `Winterkalvill´, dem `Bellfleur´, `Riesenboiken´, `Jakob Lebel´ oder `Dülmener Rose´ auch die Sorte `Lembecker Lokal´ gehörte. Solche Sortennamen wie der `Lembecker Lokal´, bezogen auf die Anbauorte, findet man fast überall und diese sind natürlich besonders beliebt in der Region. Sie haben sich seit langen Zeiten den örtlichen Standortbegebenheiten angepasst und sind entsprechend schmackhaft. Oder man muss wohl sagen, die Bevölkerung würde sie nicht umsonst ihre Lokalsorte nennen, wenn sie ihnen nicht so gut schmecken würden. Vielleicht wurde so auch der alte Sortenname vom Ortsnamen abgelöst. ‚Lembecker Lokal‘ wurde bis Weihnachten im Apfelkeller des Schlosses nach und nach reif. Interessant war auch die Sorte `Rappelapfel´. Eine ähnliche Fruchtform wie der `Gloster´, aber etwas kleiner und wesentlich rötlicher in der Schale und auch das Fruchtfleisch war etwas rot durchzogen. Ein Winterapfel, dessen Reife man feststellen konnte, wenn beim Schütteln des Apfels die Kerne innen rappelten. So vermute ich mal, war es nur ein Synonym für den eigentlichen, verloren gegangenen Sortennamen, den ich bis heute nicht kenne. All das sind für mich die alten Apfelsorten, verbunden mit einer kleinen Geschichte und möglichst lange ohne Behandlung im Keller haltbar. Auf Schloss Lembeck konnte die Köchin daher auch immer bis in den Februar/März hinein Äpfel für die Tafel der Herrschaften aus dem Apfelkeller im Turm holen.
Übrigens bekamen die Jäger und Treiber immer ordentlich Proviant aus dem Apfelkeller mit auf die Jagd, wenn es bei der Herbstjagd wieder in den Schlosswald ging.
GB: Wodurch zeichnen sich alte Apfelsorten aus?
PV: Für mich zeichnen sich die alten Sorten durch ihre Vielfalt aus, auch wenn sie nicht so sehr auf noch bessere Lagerfähigkeit und Resistenz gegen z. B. Apfelschorf oder Mehltau getrimmt sind. In unserem Herrschaftlichen Obstgarten im Bad Homburger Schlosspark haben wir im Jahre 2003 siebzig Hochstammapfelbäume mit sieben verschiedenen alten Sorten aufgepflanzt, die im sogenannten Apfelquartier nachgewiesen waren.
Das war das Kriterium, nicht die Mehltau- und Schorfanfälligkeit der Landsberger Renette oder der unzuverlässige Ertrag des Boikenapfels.
Bei den alten Sorten geht es auch um überlieferte Obstkultur, die es zu erhalten gilt, und das sich Erfreuen an dem ersten reifen `Klarapfel´, manchmal schon im Juli, den man mit den Kindern unter dem Baum isst und der als Apfelkompott unschlagbar ist. Und überhaupt lassen wir gerne noch einige Äpfel, wie bei uns im Garten den Cox Orange, bis zum Frost hängen, denn der kommt ja immer später, und erfreuen uns bis in dem November daran, mit den Enkelkindern an den Baum zu gehen und im Bollerwagen sitzend, den Apfel mit dem Gärtnermesser mundgerecht zu schneiden. Und wenn die Äpfel zu klein geraten sind oder zu viel Ertrag bei dem Mostapfel `Schöner von Nordhausen´ anfällt, na dann geht es zur Kelterei, um Apfelsaft zu bekommen, der in der Vakuumverpackung bis zu zwei Jahre haltbar ist. Bei den Äpfeln sollte man, ebenso wie bei den verschiedenen Gemüsearten, wieder dahin kommen, es als Obst anzusehen, welches seine Zeit im Gartenjahr hat und nicht durchgehend verfügbar ist. Wobei man bei einer durchdachten Sortenwahl vom August an bis in den März/April sehr lange vom eigenen Apfelbestand zehren kann. Vorausgesetzt die Lagermöglichkeit ist da und man teilt sich die Ernte gut ein.
GB: Du sprachst gerade schon von Apfelschorf und Mehltau – also ist der Vorteil der modernen Sorten vornehmlich Gesundheit und Transportfähigkeit?
Bei der Gesundheit gibt es mittlerweile einige Antagonisten, wie z. B. Schlupfwespen gegen den Apfelwickler, die auch im Erwerbsobstbau Anwendung finden. Wir arbeiten sehr viel bzw. fast ausschließlich mit Nützlingen und haben sehr gute Erfolge erzielen können. Spritzmaßnahmen werden eher mit Pflanzenstärkungsmittel durchgeführt. Regelmäßige Anwendungen mit Equisetum-Extrakt, also Ackerschachtelhalmextrakt, sorgen durch den hohen Siliciumanteil dafür, die Zellwände zu stärken und den Pilzsporen den Zutritt zu erschweren.
GB: Wie wird am besten gelagert?
Die besten Lagerräume bieten natürlich noch immer offene Keller in Altbauten. Wer richtet sich schon einen Lagerraum ein, in dem er den Co²-Gehalt zum Sauerstoffgehalt regeln kann. Wir haben bei uns im Hofgärtnerhaus noch Kellerräume, die einen halbwegs offenen Boden haben ohne Estrich oder Beton. Wichtig ist es sicher, die Früchte nach der Ernte über Nacht gleichmäßig abkühlen zu lassen und sie dann am Morgen in den Lagerraum einzubringen. Der sollte dann ebenfalls über die Fruchttemperatur verfügen. Die Luftfeuchte, das ergibt sich ja aus den alten Kellerräumen, sollte schon bei 80 % liegen.
GB: Wie pflegt ihr eure Apfelbäume?
PV: Was den Schnitt angeht, so legen wir dort fast einen höheren Wert auf das gleichmäßige Erscheinungsbild unserer Apfelhochstämme im Obstgarten. Aber natürlich achten wir auch auf die Schnittregeln, die beim Obst einzuhalten sind.
Wichtig ist es mir beim Schnitt, ebenso auf die 90° des Apfelhabitus zu achten wie auf die Saftwaage oder Fruchtkuchen, was vielleicht manch einen erstaunt. Aber der Apfelbaum hat auch seine natürliche Wuchsform, die es zu erhalten gilt. Insbesondere in der Hochstammform. Übrigens werden unsere Auszubildenden erst für den Obstbaumschnitt zugelassen, wenn sie zwei Wochen auf der Mainau bei den dortigen Kollegen ordentlich unterwiesen wurden. Das hat bei uns schon seit über 12 Jahren Tradition …
GB: Danke Peter und Grüße an meinen einstigen Arbeitsplatz 😉