GB Lesen: „Die Wildblumensammlerin“.

Als mir mein guter lieber Freund Matthias Holz im letzten Jahr von seinem neusten Illustrationsprojekt für ein botanisches Buch gemeinsam mit der renommierten Autorin Elke Loewe berichtete, war die Sache für mich gleich glasklar. Ein Interview war besiegelt.
Ende März erschien das gemeinsame Werk „Die Wildblumensammlerin“ als 5. Band der Reihe Naturwunder im Rowohlt Verlag.


Lesezeit: 7 Minuten

Interview: Elke Loewe, Matthias Holz, Anke Schmitz ∗ Einleitung: Anke Schmitz ∗ Textbearbeitung: Elke Loewe, Matthias Holz, Anke Schmitz ∗ Foto: Anke Schmitz ∗ Lekorat: Dr. Ruthild Kropp


GB: Elke, du bist als Kriminalautorin bekannt geworden. Gab es in Deinen Büchern schon einen botanischen Link?

EL: Ja, das sind botanische Krimis, sie spielen in Norddeutschland vor oder hinter den Deichen. Es gibt einen mörderischen Plot mit Pflanzen, als Protagonistin eine Frau, dazu ein klitzekleines bisschen Liebe und ein paar seltsame Charaktere für die Farbe. Im Wechsel mit den Krimis schrieb ich historische Romane, weil mich interessiert, was außer Pflanzen noch unter den Füßen zu finden ist. Es sind keine Feudalstories, sie erzählen Geschichte von unten, also von der Arbeit, die auf dem Boden der Eiszeit, dem Sand, dem Moor und der Marsch stattfand.

GB: Wie kam es nun zu einem Buch über heimische Wildpflanzen?

EL: Damit bin ich mir eigentlich treu geblieben. Ich hol mal kurz aus, ja?

GB: Klar!

EL: Mit der im 19. Jahrhundert einsetzenden Industrialisierung hat das Sterben vieler Arten von Fauna und Flora permanent zugenommen. Ich hatte mich schon viele Jahre lang mit dem andauernden und immer schneller werdenden Verschwinden von Tönen, Stimmen, Farben, Formen und Bewegungen in der Natur auseinandergesetzt, einem Verlust, den es im Laufe der Evolution immer wieder gegeben hat, nicht nur heute. Er geschah durch Klimaveränderungen, war aber auch menschengemacht. Zum Beispiel die Lüneburger Heide. Sie ist, das wissen die wenigsten Menschen, ein Biotop aus zweiter Hand und als Naturraum längst geschützt. Entstanden ist sie durch den Raubbau an Wäldern. Holz wurde gebraucht für Häuser, Schiffe, Wärme und für Salinenfeuer zur Salzgewinnung. Und nun komm ich endlich zu deiner Frage, zum Buch: Als mein Rowohlt-Lektor Marcus Gärtner mich fragte, ob ich Lust hätte, etwas für seine Reihe Naturwunder zu schreiben, machte es sofort klick bei mir. Ich hab dann in einem Flow die Einleitung für das Buch geschrieben, das war ja alles schon in meinem Kopf.

GB: Totales Kontrastprogramm oder siehst du zwischen den Sujets Parallelen?

EL: Totales Kontrastprogramm? Parallelen? Eher nicht. In jedem Roman, nicht nur beim Krimi, wird ja der Suspense, die Spannung, gedanklich konstruiert; ob es im Garten wächst, hängt von vielen Faktoren ab: dem Wetter, der Temperatur, der Beschaffenheit des Bodens, dem Saatgut, der Pflanzengenetik, den Nachbarpflanzen usw.. Natur kann man sich untertan machen und sie dabei vergewaltigen, man kann züchten, aber wirklich zähmen kann man sie nicht. Zum Beispiel die Akelei. Sie bleibt ein Wildling. Einmal im Garten angesiedelt, nomadisiert sie durch Beete, Rasen und Pflastersteine, immer wieder überraschend in ihrer Blütenfarbe.

GB: Wie hast du die Auswahl für die vorgestellten Wildpflanzen getroffen?

EL: Zunächst hab ich spontan Namen aufgeschrieben. Also die, zu denen mir gleich eine Geschichte, eine Erinnerung, ein Erlebnis, ein Duft, eine Begegnung einfiel. Da waren es dann schon mal so ungefähr dreißig. Die hab ich geschüttelt wie die Lose in einer Büchse, naja, stimmt natürlich nicht so ganz, aber aufgemalt mit einem dicken Filzi hab ich sie, also die Farben der Blüten. Damit ich nicht nur von gelben oder roten Wildblumen erzähle. Und dann ging es mit einer Blume los, dem Löwenzahn übrigens.

GB: Welche Aspekte waren dir bei der Vorstellung der passenden Illustrationen/auf der Suche nach dem passenden Illustrator für deine Texte wichtig?

EL: Das war erst nicht einfach, dann aber doch. Ich hatte ungefähr vierzig Websites von Illustratorinnen und Illustratoren einer Agentur angesehen. Drei blieben ziemlich schnell übrig, eine davon gehörte Matthias. Warum? Seine Selbstdarstellung und zwei kleine Pflanzenporträts auf einer Seite hatten mich angemacht, die waren genau so, wie ich mir die Illustrationen für meine Wildblumen vorstellte. Die so leicht Weggespritzten und so schnell Ausgerupften, den Zauber ihrer so oft übersehenen Schönheit also,  den hat Matthias dann ganz wunderbar aufs Papier gebracht.Marcus Gärtner nahm Kontakt zu Matthias auf. Und dann hat Matthias mich hier im Moor besucht. Wenn bei uns die Chemie nicht gestimmt hätte, gäbe es dieses Buch nicht. Und jetzt kann Matthias bitte weiter erzählen.

GB: Matthias, ein Buchprojekt … yeahhh! … wohl ein Traum aller Illustratoren. Und wie passend!!! …  ich meine, wir hatten ja gemeinsam Bio-LK und waren glühende Anhänger von Tierdokus und allen Infos rund um das Thema Natur (da erinnere ich mich an eine Fragenflut, die über all die Jahre meist eingeleitet wurden mit: „Und wusstest du schon …“ – OMG – wie unsympathisch eigentlich, wenn man es so platt liest, aber das war natürlich live und in Farbe alles ganz anders) Jedenfalls: Was war dein erster Gedanke, als die Zusage für dich für dieses Projekt kam, und wie sind Elke und du die Zusammenarbeit angegangen?

MH: Ich war überrascht. Die Anfrage kam ja nicht direkt von Elke, sondern über meine Agentur Kombinatrotweiß Illustration, die mich als Illustrator vertritt. Und Anlass, dass Elke sich mich als Illustrator für die Wildblumensammlerin rausgesucht hat, war eine Zeichnung, die recht singulär in meinem Portfolio auf der Homepage der Agentur stand. Eine Aquarellarbeit mit Heckenrose und Duftveilchen. Diese Arbeit habe ich mal für mich als freie Arbeit angefertigt. Ich fand den Zufall so groß, dass Elke diese eine Zeichnung aus dem Netz gefischt hat und wir durch sie zueinander gefunden haben. Als ich dann mehr durch Marcus Gärtner über das Projekt erfahren habe und wer die Autorin sein wird, hab ich mich sehr gefreut. Und es war für mich auf jeden Fall ein großartiges Projekt. Einerseits, weil es mein erstes Buch ist, das ich illustrieren durfte, und anderseits, dass Elke die Texte dazu geschrieben hat und wir uns dadurch angefreundet haben.

GB: Was war dir selbst bei der künstlerischen Umsetzung der jeweilig portraitierten Pflanze ein Anliegen? 

MH: Ganz einfach gesagt, die Schönheit und Vielfalt der Pflanzen zu zeigen, die Elke in das Buch aufgenommen hat. Dabei stand aber auch immer die Komposition jedes einzelnen Blattes im Vordergrund, damit jede Blume ihre Bühne bekommt und jede Zeichnung für sich eine eigene Geschichte erzählt. Jede Zeichnung sollte für sich erlebbar sein und beim Durchblättern des Buches keine Monotonie entstehen. Elke hat aber auch ihren Einfluss auf die Arbeiten genommen, um den ich sehr dankbar bin. Sie hat beständig kräftigere Farben eingefordert. Elke, du hast ja immer gesagt, die Blüten sollen leuchten. Und das hat den Bildern definitiv gut getan. Auch hat Elke drum gebeten, die Illustrationen sollen das Zauberhafte zeigen, was Wildblumen ausmacht. Das war für mich Maßstab.

GB: Inwieweit haben dir Elkes Texte bei diesen Portraits geholfen, das Wesen der jeweiligen Pflanze zu verstehen und zu Papier zu bringen?

MH: Hilfreich und bereichernd war und ist für mich, dass Elke persönliche Erinnerungen in die Wildblumenportraits eingebunden hat. Dadurch findet man zu den Pflanzen einen ganz anderen Zugang, als wenn man sie nur biologisch beschreibt. Und es zeigt Elkes waches Auge für ihre Umwelt. Und diese persönliche, fast schon intime Note wollte ich natürlich auch zeigen. Woran ich jetzt denken muss, Elke, ist die Geschichte wie du deiner Großmutter als Kind jeden Mai einen Strauß mit Kuckuckslichtnelke und Hahnenfuß gepflückt hast und sie die beiden als „die strubbelige Deern und dat scharf Fröschchen“ bezeichnet hat. Diese innige Verbindung beider Pflanzen in Elkes Erinnerung habe ich versucht zu illustrieren, indem ich beide Blüten ineinander verschränkt gemalt habe.

GB: Frage an euch beide: euer Liebling im Buch?

MH: Ganz spontan gesagt, für mich auch der Löwenzahn als Zeichnung und als Geschichte die von  der oben beschriebenen Kuckuckslichtnelke und dem Hahnenfuß. Die Zeichnung des Löwenzahns schätze ich deswegen so sehr, weil es mich einige Mühe gekostet hast, sie aufs Blatt zu bringen, und ich doch froh bin, dass sie von der Komposition und den Farben so gelungen ist. Außerdem habe ich sie zu einem Zeitpunkt angelegt, der mir immer in Erinnerung bleiben wird. Die Kindheitserinnerung, die Elke vom scharfen Fröschlein und seiner Partnerin der strubblige Deern erzählt, spricht mich persönlich sehr an, weil sie den Horizont, wie wir Natur wahrnehmen, um die Facette Erinnerung erweitert. Und das fehlt oft in der Weise, wie Natur heute wahrgenommen wird. Sie wird als biologischer Faktor ökonomisch bewertet, jedoch nicht, welchen geistigen, emotionalen Wert sie für uns hat.

EL: Meiner ist ebenfalls der Löwenzahn, der leuchtende Massenblüher gerade im Mai, der sich nicht unterkriegen lässt. Im Buch hab ich ihn so beschrieben, ich lese mal kurz einen Ausschnitt, ja?
„Michael Krüger beschwört in einer Kolumne in der Süddeutschen Zeitung das „friedliche Heer vom gelben Löwenzahn“, der bleiben wird, wenn alles andere zerfällt. Ja, der Löwenzahn wird ganz bestimmt bleiben, auch wenn die Menschen dafür sorgen sollten, dass die Insekten noch vor ihnen aussterben. Taraxacum braucht sie nämlich nicht zum Bestäuben und zum Befruchten. Er praktiziert Parthenogenesis, Jungfernzeugung. Er klont sich selbst. Für ein Kilo Löwenzahnhonig übrigens, das sind zwei Gläser voll, muss ein Bienenvolk heute aus 100.000 Zungenblütchen den Nektar holen. Wenn es eines Tages keine Bienen mehr geben wird, die den Nektar in ihre Beuten schleppen, dann müsste der überlebende Holozänmensch (der Mensch in der Nacheiszeit, also wir) die Zungenblütchen selbst aussaugen, wenn er dann noch Appetit auf Süßes hat. Er könnte sich auch aus den Blättern einen Salat zubereiten, so, wie ich es manchmal mache. Falls er noch auf der Erde lebt. Doch welch tröstliche Aussicht hätte er dann von oben, vom Mond, vom Mars oder von den Ringen des Saturn auf die in irgendeiner hoffentlich noch fernen Zukunft teilüberfluteten Kontinente. Friedliche Heere vom Gewöhnlichen Löwenzahn würden mit ihrer gelben Pracht Steppen, Tundren, Krater und Ufer ausleuchten, und seine Samenschirmchen würden zwischen den Ruinen verlassener Städte tanzen.“

GB: Danke euch beiden für eure Zeit!


Elke Loewe hat zahlreiche historische Romane veröffentlicht, die alle im norddeutschen Raum spielen, „Teufelsmoor“ ist der bekannteste. Daneben sind Kriminalromane entstanden, in denen es um Tod geht – und um Blumen: „Die Rosenbowle“, „Engelstrimpete“ und „Schneekamelie“. Und – sie hat Piggeldy und Frederick erfunden, zwei Schweine, die beim Wandern auf dem Deich die großen Fragen des Lebens erörtern.

Matthias Holz, geboren 1980, hat Illustrations- und Textiliendesign studiert und ist seitdem als Designer und Illustrator tätig. Er lebt in Hamburg.
www.matthiasholz.com

(Bio-Texte entstammen dem Buch „Die Wildblumensammlerin“.)


 


„Die Wildblumensammlerin“
von Elke Loewe.
Illustrationen: Matthias Holz
(Aus der Reihe Naturwunder, Bd.5)

Verlag: Rowohlt Hundert Augen
Erscheinungstermin: 23.03.2021

160 Seiten
ISBN: 978-3-498-00234-3

 


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Der Rowohlt Verlag war so nett mir ein Exemplar von „Die Wildblumensammlerin“ zur Verlosung zu überlassen …

Wer bei der Verlosung mitmachen möchte einfach hier oder bei Instagram bis zum 31.7.2021 einen Kommentar hinterlassen, dass ihr teilnehmen möchtet.

Die Verlosung findet bei Instagram statt.
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