„Wie bei jeder Kunstform ist die Gartenarbeit ein Mittel zur Erforschung und ein Ausdruck des Lebens.“

Im März 2019 traf ich bei strahlendem Sonnenschein Gärtnerin und Künstlerin Gundula Deutschlander, um mit ihr über ihre Tätigkeit in dem in Südafrika wohl bekanntesten Obst-und Gemüsegarten Babylonstoren, der der Versorgung von Luxushotel und Restaurant dient, zu sprechen.

 


Letztes Jahr verbrachte ich längere Zeit in Südafrika. Ein gärtnerisches Highlight war in dieser Zeit für mich der Besuch in Babylonstoren. Kurzentschlossen fragte ich für ein Interview an und die verantwortliche Gärtnerin Gundula war sofort offen für meine Fragen. Für mich ein spannender Blick auf einen anderen Kontinent.


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Interview: Gundula Deutschlander, Anke Schmitz ∗ Textbearbeitung: Anke Schmitz ∗ Fotos: Anke Schmitz ∗ Übersetzung: Anke Schmitz ∗ Lektorat: Dr. Ruthild Kropp



GB:
Was macht das Gärtnern für dich so unwiderstehlich, dass du bei unserem Treffen sagtest, dass du das mit dem Gärtnern einfach machen musstest?? 

GD: Südafrikaner haben eine angeborene Liebe zur Arbeit auf dem Land. Meine Eltern und Großeltern, sogar mein Onkel, der Förster in Deutschland war, haben eine tiefe Wertschätzung für die Natur und den Akt der Gartenarbeit entwickelt. Mein Vater war Ingenieur und erweckte das Interesse meiner Mutter an der Gartenarbeit wieder, das sie von ihrem Vater, der als „Bure“ bekannt war, übernommen hatte. Mit diesem Begriff identifizieren sich viele Südafrikaner, ob sie nun Land besitzen oder nicht. Ich habe das Gefühl, dass mir die Gartenarbeit im Blut liegt. Ich muss zugeben, dass ich die Freigebigkeit der Gartenarbeit sehr attraktiv finde.

GB: Du hast Kunst an der Uni Stellenbosch studiert. Wenn man an Gerdrude Jekyll oder Sarah Price denkt, die ebenfalls ein Kunststudium als Backround haben, bist du damit in guter Gesellschaft. Was sind aus deiner Perspektive die Überschneidungen, aber auch die Unterschiede, zwischen Malerei und Garten? 

GD:Wie bei jeder Kunstform ist auch die Arbeit im Garten ein Mittel zur Erforschung und Ausdruck des Lebens. Im Gegensatz zu vielen anderen Kunstformen hat sie aber die Fähigkeit, nicht nur mit Menschen, sondern auch mit anderen Säugetieren, Vögeln und Insekten zu kommunizieren. Diese artenübergreifende Zusammenarbeit finde ich besonders lohnend, wenn ich die Gartenarbeit als meine bevorzugte Kunstform wähle. In meinem Fall wird die Betonung eines Gartens als künstlerisches Ausdrucksmittel sogar noch deutlicher, da der von mir mit designte Garten in der Mitte eines kommerziell betriebenen Bauernhofs in einem intensiv bewirtschafteten Tal liegt. Ich kann mich also sowohl auf die landwirtschaftliche Umgebung als auch auf die Wildnis dahinter beziehen. Innerhalb der Grenzen des Gartens spiele ich dann mit den verschiedenen Geschichten über die Jahrhunderte alte Beschäftigung des Menschen und der Freundschaft und Zähmung der Natur. 

GB: Deine ersten praktischen Arbeitserfahrungen hast du als Gärtnerin in England gesammelt. Was für eine Anlage war das in der du tätig warst?

GD:Ich arbeitete in Englands Lake District in Brantwood, das nicht dem National Trust angehört, sondern eine private Stiftung ist, die sich dem Leben und dem Einfluss von John Ruskin widmet. Er war ein Genie der viktorianischen Ära, berühmt dafür, dass er das Talent des romantischen Malers Turner entdeckte und Venedig davor bewahrte, die Augen vor dem steigenden Wasser zu verschließen (ein Thema, das derzeit ebenso alarmierend ist). Ruskin hatte eine immense Wertschätzung für die Lehren der Natur. Er nutzte sein Anwesen als lebendes Laboratorium. Ich hatte das Glück, dort zu einer Zeit zu arbeiten, als es viel Gartenrestaurierung gab und Ruskins Ideen kreativ umgesetzt wurden. 

GB: Was sind die Erfahrungen, die du in England sammeln konntest?

GD: England ist ein interessanter Ort, an dem die Idee der Natur gepflegt wird, um die britische Identität zu bewahren. Ich habe den Wert, den die Engländer den Gärten und dem Gärtnern beimessen, wirklich zu schätzen gewusst. Zudem war es für mich als junges Mädchen ermutigend, dort arbeiten zu können und nicht nach meinem Geschlecht, meiner Rasse oder Klasse beurteilt zu werden. Ich hatte auch die Möglichkeit, die praktischste Seite der Gartenarbeit kennenzulernen: die endlos kalten, nassen Füße, die mir das Gefühl gaben, dass mir Froschfüße wachsen; die Geduld, mit einem Rotkehlchen zu jäten und dabei mit diesem Freundschaft zu schließen.

Was ich zwischen Europa und Südafrika aber am kontrastreichsten finde, ist, dass die Europäer durch ihren historischen Kontext belastet zu sein scheinen, während die Afrikaner sich nicht wirklich an die Vergangenheit erinnern wollen.

GB: Was bedeutet Gärtnern in Südafrika?

GD:In Südafrika sind unsere Gärten durch Wasserknappheit und schlechte Böden eingeschränkt. Wir haben eine immense Landschaft, in der nur wenige Menschen das Gefühl haben, wirklich Land zu besitzen, aber alle fühlen sich berechtigt, etwas zu besitzen, das sie ihr Eigen nennen können. Es ist also spannend zu sehen, wie einige wenige, die große Gärten haben, diese Räume mit anderen Gärtnern teilen. Und wie kreativ andere werden, wenn sie mit räumlichen und finanziellen Einschränkungen konfrontiert sind. Ich freue mich zu sehen, dass die Gartenarbeit jetzt zu einer Plattform wird, die es unseren verschiedenen Kulturen in Südafrika ermöglicht, trotz unserer Unterschiede ähnliche Interessen zu teilen.

GB: Was sind aus deiner Sicht die Unterschiede zwischen dem Gärtnern in Europa/UK und Südafrika?

GD: Ich glaube, es gibt tatsächlich enorme Unterschiede zwischen den Kontinenten. Auch wenn wir alle die Sprache der Pflanzen sprechen, spielen Klima, Boden und Kultur einen überwältigenden Einfluss auf die verschiedenen Umgebungen. Was ich zwischen Europa und Südafrika aber am kontrastreichsten finde, ist, dass die Europäer durch ihren historischen Kontext belastet zu sein scheinen, während die Afrikaner sich nicht wirklich an die Vergangenheit erinnern wollen. Das meiste davon ist zu schrecklich und die Gegenwart ist fesselnd genug. Deshalb neigen wir dazu, uns mit unserer natürlichen Umgebung und dem indigenen Kontext unserer Gärten auseinanderzusetzen. Wir haben das Glück, vor allem hier am Kap, eine Schatzkiste mit einheimischen Pflanzen zu haben. 

GB: Babylonstoren wurde von dem Besitzer als französischer Gartentyp angelegt. Warum entschied man sich genau für diese Art von Design? Was waren die Argumente?

GD:Trotz meiner Verallgemeinerung im vorherigen Kommentar ist Babylonstoren einzigartig in seiner historischen Referenzierung. Der Eigentümer hat einen 300 Jahre alten Bauernhof ausgewählt, den wir innerhalb der formalen Parameter eines holländischen Gartens aus dem späten 16. Jahrhundert, der stark vom formalen französischen Design beeinflusst war, mit unseren Geschichten bebauen können. Ich hatte das Glück, mit einem französischen Architekten, Patrice Terevale, zusammenzuarbeiten, der die Gestaltung des Gartens auf der Grundlage der linearen Achse der alten Gebäude und unseres Babylonstoren-Hügels erstellte. Der Entwurf soll widerspiegeln, wie Kapstadt ausgesehen hätte, wenn es ein Garten gewesen wäre, der vorbeifahrende Reisende auf dem Weg zum Gewürzsammeln im Osten ernährte. 

GB:Der Garten in Babylonstoren versorgt ein Restaurant und ein Hotel. Welche besondere Aufgabenstellung ist damit für euch Gärtner verbunden?

GD:Wir begrüßen unsere Besucher wie die hungrigen Seeleute der Vergangenheit. Sie möchten vielleicht essen und sich ausruhen, bis sie sich ausreichend erholt fühlen, um ihre Reise fortzusetzen. Aber es bedeutet gleichzeitig, dass alles im Garten von Nutzen sein muss. Alle Pflanzen und Tiere, die wir pflegen, müssen entweder essbar oder medizinisch sein. Es bedeutet auch, dass der Garten eine eigene Energie ausstrahlt, denn nichts ist nur um der Schönheit willen; er hat tatsächlich einen guten Nutzen. Der Rhythmus unseres Pflanzens und Erntens betont die jahreszeitlichen Zyklen und verleiht dem kontinuierlichen Fluss eine Schönheit.
Ich bin sehr glücklich, in einem öffentlichen Garten zu arbeiten, der alle willkommen heißt, und verschiedene Menschen aus Südafrika und anderen Teilen der Welt hierher kommen zu sehen, weil es ihre Herzen wirklich berührt.

GB: Vielen Danke für deine Zeit, liebe Gundula!


WELCHER INTERVIEWPARTNER INTERESSIERT EUCH? WELCHE GESPRÄCHSTHEMEN FINDET IHR SPANNEND?

NOCH EIN KLEINES BISSCHEN WEITER RUNTER SCROLLEN UND GRÜNES BLUT MIT EUREM KOMMENTAR MIT GESTALTEN!