GB Lesen: „Rein ins Grüne – Raus in die Stadt“

Bei manchen Dingen ist man überrascht, dass es sie nicht schon längst gibt. So nahliegend erscheinen diese, wenn sie erstmal da sind. Das Buch „Rein ins Grüne – Raus in die Stadt“ aus dem Callwey-Verlag ist so eine Sache, vielmehr so ein Buch. Als Reiseführer konzipiert, stellt es verschiedenste Urban Gardening Projekten in Deutschland, Österreich und der Schweiz plus thematisch passender Sonderthemen vor. Renate Künast hatte die Idee, der Verlag holte die erfahrene Fachautorin Victoria Wegner dazu. Und toll ist es geworden! Also super, dass ich Victoria zu diesem schicken Gemeinschaftsprojekt einige Fragen stellen darf …


Lesezeit: 5 Minuten

Interview: Victoria Wegner, Anke Schmitz ∗ Textbearbeitung: Victoria Wegner, Anke Schmitz ∗ Fotos: Victoria Wegner, Callwey Verlag ∗ Lekorat: Dr. Ruthild Kropp


 

GB: Erst einmal Glückwünsche zu diesem mega coolen Buch!! Ist optisch wirklich gelungen und inhaltlich voll mitreißend. Gemeinsam mit Renate Künast stellst du in diesem “Reiseführer” diverse Urban Gardening Projekte im deutschsprachigen Raum vor. Wie kam es zu dazu?

VW: Danke, es freut mich sehr, dass Dir unser Buch so gut gefällt! Es hat tatsächlich auch viel Spaß gebracht, das Buch zu recherchieren und zu schreiben  🙂 Die Idee dazu hatte Frau Künast, die privat und beruflich in vielen Städten unterwegs ist und immer auf der Suche nach frei zugänglichem Stadtgrün ist. Neben den klassischen Schlossgärten und Parks bieten sich dafür urbane Gärten perfekt an, in denen man bei einem Besuch auch noch einiges lernen oder sogar einen Workshop oder ein Café mit Gerichten aus dem Garten besuchen kann. Da diese Gärten einfach noch nicht so bekannt sind und den Städten viel bringen, kam ihr die Idee zu einem Reiseführer durch urbane Gärten. Bei einer Veranstaltung hat Sie dann Frau Prior-Callwey getroffen und ihr von ihrer Idee erzählt. Ich glaube, es hat etwa ein Jahr gedauert, bis sie sich wieder gesprochen haben und beide noch die Idee im Kopf hatten. Frau Prior-Callwey hat dann mich als Gartenfachfrau ins Boot geholt und schon ging es los.

GB: Steckt hinter dem Buch auch ein Stück weit die Motivation, zum Mitmachen einzuladen?

VW: Auf jeden Fall! Die verschiedenen Projekte sind oft nicht nur dazu da, mal vorbeizuschauen, sondern auch in Form von Workshops zu den unterschiedlichsten Themen (vom Imkern, über fermentieren, Beete mulchen, Kompostberatung oder auch Koch- oder Yogakurse, Fahrradreparaturen oder Recycling-Workshops) mitzumachen. Natürlich dienen die Gärten (und damit auch das Buch) auch dazu, sich Inspiration für zu Hause oder für die eine oder andere brach liegende Fläche in der Umgebung zu suchen. Wir hoffen, dass wir mit den vielen authentischen Bildern und Geschichten viele dazu anregen können, auch mal ihren eigenen Mangold oder Tomaten anzubauen – denn es ist wirklich nicht schwer, auch auf dem kleinsten Balkon sein Lieblingsgemüse zu kultivieren. Man muss einfach nur etwas kreativ werden und auch jede Ecke nutzen. Um den Einstieg zu erleichtern, haben uns die Stadtgärtner mit tollen gärtnerischen Tipps und Rezepten versorgt 🙂

GB: Das Buch wirkt in seiner Aufmachung echt frisch. Wen möchtet Ihr damit ansprechen? Habt ihr vielleicht sogar schon erste Reaktionen, wer das Buch liest?

VW: Das Buch ist für alle Liebhaber und Liebhaberinnen von Gärten gedacht. Es ist ein Reiseführer für alle, die sich für Gärten interessieren und gerne reisen und nach den klassischen Schlossgärten und Parkanlagen Neues entdecken. Denn wir zeigen den Lesern die bisher weit weniger bekannten „neuen“ Gärten mitten in der Stadt. Gleichzeitig möchten wir aber auch diejenigen erreichen, die sich für das Thema Urban Gardening interessieren und die gerne mehr Natur in die Stadt holen möchten, indem sie selbst eine kleine Ecke in ihrer Umgebung begrünen, Gemüse auf dem Balkon anbauen oder sogar bei einem Projekt mitmachen möchten. Die frische Aufmachung orientiert sich an dem ja doch recht jungen Thema Urban Gardening bei dem alles etwas unkonventioneller zugeht und mit innovativen Ideen gegärtnert wird.
Das Buch wurde bislang in vielen Wohn- und Gartenzeitschriften sowie in einigen großen Tageszeitungen vorgestellt („Charmanter grüner Lesestoff“, Schöner Wohnen oder „Vielseitiges Buch, das große Lust auf den Sommer macht“, Süddeutsche Zeitung). Und wir denken und hoffen, dass unsere Zielgruppe genauso vielfältig ist wie deren Leserschaft.

GB: Welche Bedeutung haben solche Urban Gardening Projekte für eine Stadt?

VW: Die urbanen Gärten sind so unterschiedlich wie die Motive der urbanen Gärtner selbst und haben daher auch verschiedene Funktionen für eine Stadt. Einige haben einfach Lust am Gemüseanbau oder am gemeinsamen Gärtnern, andere sind eher politisch oder sozial motiviert. Daher sind urbane Gärten nicht nur eine wichtige Form des Stadtgrüns, sie dienen vor allem als sozialer Treffpunkt für Einheimische aller Altersgruppen, sozialer Stellungen oder Menschen mit Behinderungen, aber auch als beliebte Anlaufstelle für Flüchtlings- und Migrantenfamilien. In den Gärten wird zusammen gegärtnert, gekocht, sich ausgetauscht, diskutiert und gefeiert. Sie sorgen aber auch für mehr Biodiversität in den Städten, schaffen ein neues Bewusstsein für Umwelt und Ernährung und sind wichtige Anlaufstellen für Kindergärten und Schulklassen, um Stadtkindern schon früh den Umgang mit Pflanzen und den Gemüseanbau näher zu bringen. Und zu guter Letzt sind sie ein Ort der Erholung für Einheimische, aber auch für Touristen, die auf einer Städtereise einen Ort der Ruhe suchen …

GB: Nach welchen Kriterien wurden die einzelnen Projekte ausgewählt?

VW: Zunächst war es uns wichtig, die vielen verschiedenen Möglichkeiten für urbane Projekte in der Stadt aufzuzeigen: Gemeinschaftsgärten, interkulturelle Gärten, essbare Städte, Kulturdachgärten, Stadtnaturgärten, Gemeinschaftsacker und auch eine Kooperative, die nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft arbeitet. Dann wollten wir altbekannte Gärten und Projekte wie den Prinzessinnengarten in Berlin oder die Essbare Stadt Andernach vorstellen, aber auch jüngere Projekte wie den Kulturdachgarten in München oder den Mintzgarten in Wien. Zudem sollten die Projekte in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz verteilt sein, damit klar wird, dass Urban Gardening überall stattfindet.
Natürlich gibt es noch viel mehr Projekte, als wir in unserem Buch aufzeigen, daher geben wir auf den letzten Seiten noch weitere Gartenempfehlungen aus den verschiedenen Regionen. Und auch diese Seiten haben nicht ausgereicht. Aber Vollständigkeit ist in diesem Bereich gar nicht möglich, da viel zu schnell neue Projekte emporwachsen und leider auch immer wieder welche verschwinden.

GB: Welches der vorgestellten Projekte hat dich besonders beeindruckt?

VW: Das ist schwer, da so viele Projekte ganz individuell sind und ich dabei viele sehr nette, entspannte und tolle Menschen kennengelernt habe. Ein Favorit ist auf jeden Fall der Mitmachgartenbau von Jantje Schumacher in den Vier- und Marschlanden in bzw. ganz am Rand von Hamburg. Sie begeistert, glaube ich, jeden mit Ihrer offenen und herzlichen Art und lockt mit Ihrem vielfältigen Gartenbau zum Anfassen und Mitmachen nicht nur Stammkunden aus der Nachbarschaft, sondern auch aus der Hamburger Innenstadt zu sich „aufs Land“. Hier gilt es, zwischen Gänsen, dem Hofhund und der alten Feldlore die Natur zu entdecken: Geerntet wird selbst, bezahlt wird, was mitgenommen wird. Aber auch der Stadtgarten Nürnberg, der sich selbst als Feinschmecker-Garten bezeichnet und der Carlsgarten in Köln haben es mir sehr angetan. In Nürnberg bietet Stadtgärtnerin Xenia Mohr tolle und abwechslungsreiche Kochworkshops an, einige der leckeren Rezepte findet man übrigens auch online. Der Garten musste allerdings, während wir das Buch geschrieben haben, umziehen, wir haben also noch keine Bilder vom neuen Gelände. Ein Besuch lohnt sich daher umso mehr J Beim Carlsgarten in Köln hat die Schauspieltruppe des Schauspiel Köln eine kreative und bunte Begegnungsstätte erschaffen, die nicht nur vor einem Theaterbesuch einen Besuch wert ist. Diese Liste könnte ich jetzt noch fortsetzen! Je länger ich jetzt über die unterschiedlichen Gärten nachdenke, desto mehr schöne Erinnerungen und interessante Gespräche kommen wieder hoch.

GB: Du schreibst schon lange zu Gartenthemen in Magazinen, hast selbst schon einige Buchprojekte gemacht. Welches Thema war bei dem Buch für dich nochmal sowas wie eine Neuentdeckung?

VW: Ein wichtiger Aspekt, auf den ich bei vielen Gärten gestoßen bin, ist das samenfeste Saatgut. Ein Thema, das wir gleich noch als Sonderthema im Buch aufgegriffen haben, denn nicht nur wir sind der Meinung, dass Saatgut ein freies Kulturgut sein sollte, das den Menschen gehört. Stattdessen gibt es immer mehr modernes F1 Hybridsaatgut auf dem Markt, welches oft auf bestimmte Erscheinungsformen, Haltbarkeit und Resistenzen gezüchtet worden und kann im eigenen Garten nicht weiter vermehrt werden. Die Pflanzen keimen entweder gar nicht, oder es entstehen Pflanzen mit anderen Eigenschaften, zudem liefern Hybridpflanzen nur wenig oder sogar gar keinen Nektar, sodass Bienen auf eigentlich reich blühenden Feldern verhungern. Und ganz nebenbei schmecken die alten, samenfesten Sorten oft viel intensiver. In den Gärten finden oft Tauschbörsen oder auch Saatgutverkäufe von altem Saatgut statt, da die Stadtgärtner sehr darauf achten, dass nur samenfestes Saatgut genutzt wird.

GB: Liebe Victoria, herzlichen Dank für das nette Gespräch!


 

BÜcher-Verlosung

Der Callway-Verlag ist so großartig, zwei Exemplare von „Rein ins Grüne – Raus in die Stadt“ zur Verfügung zu stellen!

Wer mitmachen möchte meldet sich einfach über das Kontaktformular. Die ersten Zwei erhalten ein Buch.