„Ich glaube, fertig wird man nie.“

Im Sommer 2022 verabredete ich mich mit der renommierten Gartenplanerin Petra Pelz zum Telefoninterview.


2019 hatte ich bereits die Gelegenheit Petra für Grünes Blut zu interviewen. So freute ich mich sie im Auftrag der Gartenpraxis erneut ansprechen zu dürfen, um mehr über ihre letzten Jahre als Planerin und ihre neue Pflanzenreich-App zu erfahren.


Lesezeit: 10 Minuten
Interview: Petra Pelz, Anke Schmitz ∗ Einleitung: Anke Schmitz ∗ Textbearbeitung: Petra Pelz, Anke Schmitz ∗ Fotos werden von Petra Pelz zu Verfügung gestellt



AS:
Liebe Petra, ich freue mich, dass ich dich erneut als Gesprächspartnerin zu deiner Arbeit befragen darf, die im letzten Jahr mit dem Taspo-Award als Gartendesignerin des Jahres ausgezeichnet wurde. Beginnen wir mit einer kurzen Retrospektive: was hast du als Quintessenz gestalterisch aus deiner Verbindung mit Wolfgang Oehme gezogen?

PP: Wolfgang Oehme hat ja sehr großräumig gepflanzt. Das hat mich damals stark beeindruckt. Dabei entstanden große, dichte Flächen mit plakativer Wirkung. So zu pflanzen macht z.B. Sinn, wenn die Häuser hoch sind und die Dimension größer, die Straßen breit. Wenn man da flüchtig an was vorbeifährt würde man Details gar nicht so wahrnehmen. Bei solchen Pflanzungen ist es allerdings ausgesprochen wichtig, dass die Qualität der Pflanzen stimmt, d.h., dass sie vom Austrieb bis zum Absterben eben immer schönes Laub behalten, die Pflanzen nicht nach der Blüte zusammenfallen, dass sie vielleicht noch eine lange Blüte haben und Herbstfärbung oder eben noch Frucht Schmuck. Und vor allem, dass sie langlebig sind. Da gibt es automatisch viele Nordamerikaner, die diese Herausforderung meistern und klar, damit man nicht immer die gleichen Kandidaten hat sucht natürlich immer nach neue Pflanzen, die ebenfalls diese Eigenschaften haben.

AS: Musste diese Art der Gestaltung den Umweg über Amerika nehmen musste, um bei uns auch angenommen zu werden?

PP: In Wolfgang Oehmes Lehrezeit im Deutschland der 60er Jahre wurde an sich ja auch plakativ gepflanzt. Allerdings mit kräftigen Farben, wie Bistorta und Mädchenauge, zum Beispiel im Hamburger Stadtpark oder bei Planten und Bloomen, wo er gelernt hatte. Das ist heute nichts mehr für unser Auge. Aber da war es auch schon großflächig und zu der Zeit, als er nach Amerika ging gab es die Pflanzen dort nicht. Er hat dann aus dem Mangel mit Wildstauden gearbeitet und das ist eigentlich sein Verdienst, wenn man so will.

Für mich muss der Maßstab der Pflanzflächen zur Umgebung passen.

AS:Wie war die Situation im Gegensatz dazu in Deutschland, als du als Landschaftsgestalterin mit Stauden zu planen begannst?

PP: Als ich vor 30 Jahren angefangen habe mit Wolfgang zusammenzuarbeiten, da pflanzte man in Europa kleinteilig, also wiesen artig, naturnah. Das kennt man ja auch von den Mischpflanzungen. Zunächst war es sogar ziemlich verpönt so großräumig und plakativ zu pflanzen. Monokultur hat man das genannt. Es wurde insbesondere an den Hochschulen nicht gerade wohlwollend aufgenommen Pflanzen so zu verwenden. Ich hatte aber ja hauptsächlich im öffentlichen Grün gearbeitet und die Erfahrung gemacht, dass die Pflegekräfte mit geschlossenen größeren Gruppen besser klarkommen, was auch der Wirkung zu Gute kam.

AS:Und in deiner Zeit nach Oehme? Du hast dich dann ja auch ein bisschen von dem öffentlichen Grün entfernt …

PP:Oehme hat wirklich flache, große Flächen aneinandergesetzt, die größer sind als das, was ich heute pflanze. Ich modelliere die Flächen mehr, bilde durch verschiedene Höhen auch Räume. Wo es Sinn macht streue ich auch mal kurzlebige Arten ein. Für mich muss der Maßstab der Pflanzflächen zur Umgebung passen. In kleinen Flächen bin ich kleinteiliger und in großen Dimensionen kann es auch schon mal sehr ausgedehnte Teilflächen einer Art geben. Hier müssen es dann nur Pflanzen sein, auf die man sich das Jahr über verlassen kann.

AS: Und welche Rolle nehmen für dich die Wettbewerbe und Gartenschauen ein? Ist das für dich so ein Experimentierfeld oder ist die Aufgabe das Spannende sozusagen sich künstlich auch mal zu verknappen oder zu fokussieren?

PP: Genau. Bei den Gartenschauen kann ich experimentieren. Ich sehe meine Aufgabe vor allen Dingen darin immer Neues und Bewährtes miteinander zu kombinieren. Dass sich die Bilder auch mal ändern ist zwar das Spannende daran, trotzdem gibt es auch immer noch das Bewährte, auf das ich zurückgreife. Einfach weil ich weiß, dass es funktioniert. Denn zur Gartenschau selbst muss es zwar besonders schön aussehen, aber man darf nicht aus dem Auge verlieren, dass die Leute, die das Beet weiter pflegen, nach der Show eben auch noch damit klarkommen müssen. Bei der Gestaltung selbst will ich Vielfalt zeigen ohne in die Kleinteiligkeit zu verfallen. Und da habe ich im Laufe der Zeit einen speziellen Weg entwickelt, indem ich die Pflanzen, die gut funktionieren, mit denen ich auf großräumig arbeiten kann, mit kurzlebigen Arten, die sich vielleicht nicht dafür eignen, wenn sie aber dazu gut passen, punktuell dazwischensetze. So kann man das auch gut im privaten Garten machen. Wenn dann mal zurückgeschnitten werden muss oder so, dass man da nicht so ein großes Loch hat.

AS: Wie findest du „Neues“?

PP:Auf der Suche nach neuen Arten gehe ich dann in die Gärtnerei, probiere das in kleinen Mengen aus. Meist Kaufen die Leute ja aus dem Impuls heraus, weil die Pflanze gut aussieht. Aber im Grunde genommen steckt ja manchmal das Wertvolle einer Pflanze praktisch in der DNA und man sieht sie ihr nicht unbedingt schon im Topf an. Wenn man das dann mal zeigen kann, wie eine Pflanze in der Anwendung wirkt, dann entsteht bei den Besuchern Interesse. So entstehen Bedürfnisse und auch neue Trends. Die Pflanzen werden dann nachgefragt.

AS: Und gibt es da auch eine Gartenschau oder mehrere Gartenschauen, die für dich einen besonderen Stellenwert haben?

PP: Meine wichtigste Gartenschau war damals die IGA in Rostock. Das ist ja schon sehr lange her, aber das war schon ein Durchbruch, weil ich mir da das erste Mal auf 5000 Quadratmeter Themen ausdenken und großzügig pflanzen konnte. Dafür habe ich ja den Design Award der PPA erhalten und das war schon damals was sehr Besonderes.

AS: Was bedeuten dir solche Auszeichnungen, wie zuletzt der TASPO Award?

PP:Grundsätzlich arbeite ich natürlich, weil mir der Beruf großen Spaß macht und eigentlich stehe ich auch nicht gerne im Rampenlicht, aber trotzdem machen mich Auszeichnungen wie der TASPO-Award schon stolz. Ich freue mich einfach, wenn meine Planugen nicht nur mir, sondern auch anderen Menschen gefallen.

AS:Du machst ja auch hin und wieder Pflanzenreisen, du bist auch in der Perenne mit dabei. Was für einen Stellenwert haben diese Exkurse?

PP: Auch diese Reisen sind Quellen der Inspiration. Die Besuche in den Gärtnereien, der Austausch mit Kollegen, das Schmökern in Büchern, das Gucken im Internet, das alles zusammen bringt einen auf neue Ideen für die Gartenschauen. Leider ist die Zeit häufig zu knapp. Wenn es nach mir geht, würde ich öfter reisen.

AS: Sind das so diese Motoren in dir drin, die diesen Job für dich so spannend sein lassen? Oder ist es die Arbeit im Beet oder die Mischung aus alldem?

PP:Ja, es ist schon alles zusammen. Man begibt sich ja in der Planung auf eine Fantasie Reise … wie könnte das mit dem aussehen? Und manchmal sieht es gar nicht so schön aus wie man es sich ausgemalt hat und ein anderes Mal entstehen auch Zufallsprodukt, das habe ich gar nicht geplant, aber das sieht überraschend toll aus. Und das Spannende für mich ist dann auch, wenn der Plan dann tatsächlich umgesetzt wird. Ich gehe ja auch immer mit raus, lege die Pflanzen aus und schleppe mit Kisten. Oft ändert sich ja vor Ort dann doch was an der Situation oder es kommen die Pflanzen nicht. Wenn man dann mit vor Ort ist kann man das im Sinne seiner Idee regeln oder man entscheidet sich eben noch mal um. Das Pragmatische ist für mich genauso schön wie diese Gedankenreise Im Vorfeld.

AS: Worüber ich bereits mit Sabrina Rothe geschwärmt habe, ist dein Garten, den du zusammen mit Peter Berg gestaltet hast. War das für dich jetzt ein Novum mit der Kooperation?

PP: Kooperiert habe ich schon öfter, aber so ein Projekt habe ich noch nie mit jemanden gemacht. Peter Berg und ich hatten immer schon seit der BUGA in Koblenz den Wunsch etwas gemeinsam zu machen. Da ist aber nie etwas draus geworden. Ursprünglich war dieser Garten ja seit vielen Jahren mein Projekt und da gab es die Herausforderung eines Höhenunterschieds zum Nachbarn, weil das Haus tiefer gesetzt war. Und ich habe an Frank Lloyd Wright mit den Steinen gedacht und dann eben an Peter Berg. Und so stand ich mit dem Bauherrn auf dem Dach und habe gesagt: „Ich rufe jetzt mal Peter Berg an und frag mal, ob er eine Lösung für diese für diesen Höhensprung hat!“ Mehr war das eigentlich damals gar nicht. Aus dieser Frage wurde der ganze Garten. Wir haben dann abgestimmt und Peter Berg hat dann die Gestaltung und ich die Pflanzung übernommen.

… als Planer, der die App nutzt, spart man dafür eben viel, viel Zeit.

AS: Ich würde gerne auf deine Pflanzenreich-App zu sprechen kommen, die du mir im Vorgespräch gegenüber ja als dein Vermächtnis bezeichnet hast, weil da ja tatsächlich alle deine gesammelten Erfahrungen einfließen. Als ich vor vier Jahren bei dir auf Besuch war, hast du mir noch deine Hand gemachten Karteikarten von Pflanzen gezeigt, die deine Seminarteilnehmer als Hilfe bei der Beetplanung verwenden konnten. Das ganze wurde dann 2021 digital und für jeden dauerhaft nutzbar gemacht. Und Wahnsinn Petra! Da ist ja innerhalb weniger Monate ein richtiger Kosmos entstanden …

PP: Das ist ein gutes Wort. Vor allen Dingen fängt alles zunächst ganz klein und harmlos an und dann werden die Ideen immer mehr und dann kommen noch Wünsche dazu. Mittlerweile haben wir ja auch Partner wie z.B. Bruns, Kordes, Küpper, Tantau, Gaismayer, Die Staudengärtnerei mit dabei. Wir fragen am Anfang des Jahres immer welche Pflanzen sind neu sind und ob Fotos davon für uns zu Verfügung stehen. Ich glaube, dass das der Beginn einer langen Reise ist. Ist natürlich alles erstmal viel Arbeit, aber als Planer, der die App nutzt, spart man dafür eben viel, viel Zeit. Weil Zeit so kostbar ist – haben wir die Pflanzenreich App entwickelt….

AS: Wie viele Pflanzen kann man in deiner App mittlerweile kombinieren und was zeichnet die App aus?

PP: In Kürze haben wir 8000 Pflanzen. Das Besondere ist eben, dass man Rosen mit Stauden, mit Gräsern, mit Blumenzwiebeln, mit Farnen, mit Gehölzen, mit Kletterpflanzen so kombinieren kann, d.h. dass ich tatsächlich unterschiedliche Pflanzengruppen in der Planung aufeinander abstimmen kann. Ich freue mich so auf die neuen Pflanzen, ich habe so schöne Fotos! Alles ist so toll. Sylvia Knittel hat gerade in Röselsee bei Fine Molz und Till Hofmann fotografiert. Über die Zusammenarbeit bin ich sehr glücklich. So können auch schöne Kombinationen im Zusammenhang mit der jeweiligen Pflanze gezeigt werden. Ja, so etwas aufzubauen ist ein Kraftakt in jeder Hinsicht aber es ist für uns sehr beglückend so etwas voranzubringen. Letztlich spart es den Nutzern viel Zeit und das Ergebnis ist professionell und auch sehr ästhetisch.

AS: Du bist ja zuständig für die Fotos, richtig?

PP: Ja genau, ich bin für die Fotos und das Fotos zusammentragen verantwortlich. Und für die Datenlisten habe ich kompetente Unterstützung. Wir haben jetzt glaube ich, fast 20.000 Fotos zu Gehölzen, die gerade aktuell dazukommen. Fotos von quittegelben Ginkgos im Herbst in Straßen in Tokio oder Araukarien in den Nationalparks Chiles mit den Vulkankegel im Hintergrund, so dass man neben dem Lebensraum auch immer den natürlichen Habitus. Wo Pflanzen wachsen, erzählt dann bildlich auch, wie sie sich im Garten verwenden lassen. Auf feuchten, trocknen Böden, auf Kalk oder in sandigen Böden. Und es gibt schon viele schöne Kombinationsfotos von Pflanzen. So sieht man, wie die Pflanzen kombiniert und benachbart werden können. Also keine Geheimnisse! Inspiration pur!

AS: Benutzt du eine App auch selbst bei deinen Projekten?

PP:Ja, tatsächlich hätte ich mir gewünscht die App eher zu haben. Dann wäre ich bei vielen Planungen schneller gewesen. Es entsteht zwar kein Pflanzplan, aber man kann Ideen visualisieren. Allein der Blützeiten Kalender, wenn ich mir überlege, was das immer für Arbeit gemacht hat, jetzt drückt man auf einen Knopf und hat das Alles. Zum Beispiel habe ich jetzt eine Gartenschau in Bad Dürrenberg, dafür kann ich mir auch einen Ordner mit Kombinationen anlegen. Man hätte aber auch die Möglichkeit, den Ortner die beim nächsten Mal unter einem anderen Namen abspeichern und zu verändern. Man kann dann schnell Planungen, die man einmal erarbeitet hat, wiederverwenden und weiterentwickeln. Das ist das Schöne. Also von daher, ich benutze das auch. Obwohl ich schon viel im Kopf habe ist das einfach noch mal anschaulicher, so dass man es auch gleich den Kunden oder dem Auftraggeber zeigen kann. Früher habe ich das immer mit PowerPoint gemacht, jetzt geht das natürlich ganz schnell am Tablet. Und man kann es Kunden direkt vielleicht am Tablet zeigen und ggf. gemeinsam verändern.

AS: Wahnsinn.

PP:Also, wie gesagt, das dauert noch eine Weile. Ich glaube, fertig wird man nie. Aber wir haben jetzt schon einen super Stand und im Herbst wollen wir mit den Gehölzen fertig sein. Ich hoffe, dass die Nürnberg Messe stattfindet. Wir haben uns einen kleinen Stand geleistet und möchten gern zur Nürnberg Messe, da sind auch unsere Partner, wie die Baumschule Bruns, Kordes Rosen und Küpper Bulbs. Das Bruns Sortiment muss dann in der App sein, sodass die Firmen uns dann unterstützen sie können ja ihr Sortiment über die App auch ihren Kunden zeigen. Das wollen sie gern tun.

AS: Ich hatte dann noch zum Abschied die Fragen nach dem Ausblick in deine gestalterische Zukunft. Was soll für dich an Neuem hinzukommen? Ist es weiterhin die Lust auf neue Pflanzen entdecken?

PP:Im Grunde genommen gibt es noch mit der App viel zu tun. Ich habe Leonie und eine freie Mitarbeiterin, also zwei junge Frauen als Kolleginnen, die mich seit einiger Zeit unterstützen. Zum Beispiel mit den Kursen Sonnenflut und Rosenallianz. Dort gibt es immer viel zu tun. Es gibt ansonsten immer neue Herausforderungen, die man gar nicht so planen kann und die sich aus der Aufgabe heraus ergeben. Es ist ja zum Beispiel bei Gartenschauen nicht immer die eine wie die andere. Und von daher gibt es immer wieder neue Kombinationen und ich lerne und entdecke durch die App ja selber ganz viel. Zum Beispiel Nadelgehölze. Ich war nie ein Fan von Nadel Gehölzen, aber beim Fotos sortieren gibt so tolle Pflanzen, dass man sich fragt, wie kann man die vielleicht doch wieder sexy einbinden? Wie kann man die so einbinden, dass sie eben auch wirken?

AS: Nadel Gehölze also das neue Gelb im Garten? Ein Nadelgehölz, was du dir mittlerweile vorstellen könntest zu integrieren?

PP:Zum Beispiel gibt es tolle Fotos von Heide Gärten. Heide ist ja auch so ein aus der Mode gekommenes Pflanzthema. Aber im Grunde genommen sieht so eine Heidelandschaft mit Calluna und Juniperus schon toll aus. Und es gibt bei Callunen so spannende Sorten. Oder auch diese mediterranen Zypressen in mediterranen Gärten mag ich sehr. Das sieht so toll aus, wenn man Fläche hat. Also da gibt es tolle Bilder, die man da schaffen kann. Das finde ich schon schön. Geschmack ändert sich im Laufe der Zeit.

AS: Liebe Petra, hab lieben Dank für deine Zeit und deine spürbare Begeisterung! Ich bin gespannt J