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Text: Ina Sperl ∗ Interview: Michael Neumann, Ina Sperl ∗ Textbearbeitung: Ina Sperl ∗ Fotos: Jutta Mäsgen, Michael Neumann ∗ Layout: Anke Schmitz ∗ Titelbild mit Filter: Babiana rubrocoerulea
Zwiebelblumen gibt es für jede Jahreszeit: Jutta Mäsgen und Michael Neumann zeigen seltene Schönheiten
Schon auf dem Küchentisch von Jutta Mäsgen und Michael Neumann findet sich Ungewöhnliches. Wo bei anderen in dieser Jahreszeit Dahlien oder Astern in der Vase stünden, sind ganz unbekannte Blüten zu sehen. Ein kleiner Strauß erinnert an Schnittlauch, allerdings mit weißen, locker kugelförmigen Dolden – eine Zierlauchsorte. Daneben, groß und mit orangefarbenen, edel wirkenden Blüten, eine Spinnenlilie (Lycoris). Auf dem Balkon geht es weiter: Töpfe voller Schopflilien (Eucomis) stehen hier neben aromatischem Zimmerknoblauch (Tulbaghia). Längliche weiße Blüten, die entfernt an Ziertabak erinnern, weben sich zwischen die violetten Blüten einer anderen Pflanze – Sinningia tubiflora und Tradescantia boliviana stehen hier nebeneinander. So rar sind diese Gewächse bei uns, dass sie noch keinen deutschen Namen haben. Der Garten hier in Alfter bietet noch einmal eine ganz andere Fülle seltener Pflanzen. Eins haben sie fast alle gemeinsam: Sie wachsen aus Blumenzwiebeln heran.
Raritäten aus aller Welt
Jutta Mäsgen und Michael Neumann sind Experten für Zwiebelraritäten. Sie beherbergen Arten und Sorten aus aller Welt und vermehren sie im Nebenerwerb für Großhändler in Frankreich und Großbritannien. Manches bieten sie auch auf Pflanzenmärkten an. Im Vordergrund steht jedoch ihre Leidenschaft für diese besonderen Gewächse. „Eine Blumenzwiebel ist so ein unscheinbares Etwas. Sie harrt unterirdisch der Dinge, und wenn warme Tage kommen, wächst sie augenblicklich los. Das fasziniert mich“, sagt Michael Neumann. Er arbeitet als Gärtner in den Botanischen Gärten der Universität Bonn, seit seiner Lehre interessieren ihn die Geophyten – Pflanzen, die unter der Erde überdauern. Krokusse, Tulpen und Narzissen gehören dazu. Doch ist die Welt der Zwiebelblumen viel, viel größer. Über die Jahre hinweg hat Michael Neumann mit seiner Frau ein umfangreiches Sortiment aufgebaut: Im Garten wachsen exotische Ingwerpflanzen mit orangefarbenen Blütenständen (Hedychium ‘Tara‘), imposante, grünlich blühenden Schopflilien (Eucomis pole-evansii) und die äußerst zarten Herbstknotenblumen (Leucojum autumnale).
Empfindliches im Folientunnel
Viele dieser Pflanzen müssen geschützt überwintern, stehen daher in Töpfen, die in der kalten Jahreszeit in ein eigenes Glashaus geräumt werden. Manche sind so empfindlich, dass sie nur in einem speziellen Folientunnel gedeihen. Herbstalpenveilchen (Cyclamen rholfsianum ) zum Beispiel. Bereits seit Mai blühen die Ingwerorchideen (Roscoen), die das Ehepaar in Farbtönen von pink über lila bis zu bordeauxrot zieht. Eine zierliche Sauerkleepflanze trägt besonders große violetten Blüten (Oxalis elegans). Eine Tigerpflanze mit auffällig bräunlich gemusterten Blüten (Tigridia van-houttei) wird gerade von Insekten besucht, die Nektar trinken. Eine Verwandte von ihnen hat soeben ihr erstes orangefarbenes ungeflecktes Glöckchen geöffnet (Tigridia immaculata). „Die wachsen auch gut im Topf auf dem Balkon“, sagt Jutta Mäsgen. „Pro Zwiebel kommt nur ein Stiel. Man braucht mindestens 20 Stück, damit es nach was aussieht.“
Frühblüher unterm Tulpenbaum
Die meisten dieser Pflanzen sind empfindlich und müssen richtig gepflegt werden. Manches dagegen ist robust und kommt auch mit etwas weniger Zuwendung aus: Die grünlichen Schopflilien und der Ingwer zum Beispiel können im Beet bleiben und brauchen höchstens etwas Frostschutz. Doch hat der Garten von Jutta Mäsgen und Michael Neumann noch einiges mehr zu bieten, was derzeit nicht zu erahnen ist: Unzählige Narzissen, Traubenhyazinthen, Kaiserkronen und Zierlauchsorten, die im Steingarten, im Schattenbeet und unter einem majestätischen Tulpenbaum auf das nächste Frühjahr warten.
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Blumenzwiebeln sollten so schnell wie möglich in die Erde
IS: Herr Neumann, wann ist die beste Pflanzzeit für Blumenzwiebeln?
MN: Im September. Kaufen Sie und pflanzen Sie die Zwiebeln dann schnell ein. Lagern Sie sie nicht lange, denn sie gehören in die Erde. Die Frühblüher wurzeln im September und Oktober, sie brauchen eine gewisse Bodentemperatur. Kaufen Sie keine Billigangebote im Oktober, da können Sie gleich das Geld zum Fenster herauswerfen. Von 20 Zwiebeln kommen dann nur noch drei.
IS: Woran erkenne ich denn gute Qualität?
MN: Zwiebeln müssen fest sein – sobald sie weich oder gummiartig sind, ist die Qualität nicht mehr gegeben. Sie sind entweder zu lange gelagert – oder haben eine Krankheit.
IS: Wie tief muss ich die Zwiebeln setzen?
MN: Es gibt eine Faustregel: Die Zwiebel sollte doppelt so hoch mit Erde bedeckt sein, wie sie selber hoch ist. Das Pflanzloch sollte also dreimal so tief sein wie die Zwiebel hoch ist. Natürlich gibt es Ausnahmen, bei Fritillaria zum Beispiel. Die werden viel tiefer gepflanzt.
IS: Gibt es auch eine Faustregel für den Standort?
MN: Nein. Aber grundsätzlich gilt: durchlässiger, gut drainierter Boden ist notwendig, denn Staunässe vertragen Zwiebeln bis auf wenige Ausnahmen nicht. Sonne oder Halbschatten ist in den meisten Fällen gleich, denn Frühlingsblüher erscheinen, ehe die Bäume ihr Laub bekommen. Nadelbäume und Immergrüne eignen sich nicht so gut für eine Unterpflanzung mit Zwiebeln.
IS: Muss ich Zwiebeln immer aus dem Boden nehmen?
MN: Narzissen kommen am Ursprungsort, in den Pyrenäen und den Picos de Europa, auf feuchten Wiesen vor. Manche Krokusse ebenso. Sie vertragen auch feuchten Boden im Sommer und können daher in der Erde bleiben. Aber Tulpen stammen ursprünglich aus Zentralasien, wo es sehr trocken ist. Sie müssen, wenn das Laub ganz eingetrocknet ist, herausgenommen und bei 20 Grad gelagert werden.
IS: Gibt es nicht auch Ausnahmen, bei den Wildtulpen etwa?
MN: Ja, zum Beispiel Weinbergstulpen (Tulipa sylvestris), Wildtulpen (Tulipa pulchella) und Turkestanische Tulpen (Tulipa turkestanica). Aber auch Felsentulpen (Tulipa saxatilis) und Tulipa sprengeri.
IS: Wie bekomme ich eine möglichst lange Blühperiode hin?
MN: Setzen Sie Krokusse, die im Februar blühen, Blausterne (Scilla) für Anfang und Narzissen für Ende April. Zum Verwildern ist der Elfenkrokus, Crocus tommasinianus, am meisten geeignet.
IS: Wie eng dürfen die Zwiebeln gesetzt werden?
MN: Für einen schnellen Effekt setzen Sie sie dicht an dicht. Dann werden die Pflanzen aber in einigen Jahren um den Platz konkurrieren. Langlebiger ist es, sie so zu pflanzen, dass sie genügend Platz haben, sich zu entwickeln. Aber der Knaller-Effekt kommt dann erst nach vier bis fünf Jahren. Seien Sie nicht zu sparsam: Setzen Sie unter einen Baum nicht zehn, sondern 100 Zwiebeln.
WELCHER INTERVIEWPARTNER, WELCHE THEMEN INTERESSIEREN EUCH? WELCHE FRAGEM HABT IHR AN?
NOCH EIN KLEINES BISSCHEN WEITER RUNTER SCROLLEN UND GRÜNES BLUT MIT EUREM KOMMENTAR MITGESTALTEN!