Der Journalist und MDR-Garten-Moderator Jens Haentzschel telefonierte für Grünes Blut mit der ehemaligen Dolmetscherin Heike Janetzko, um sich mit ihr über ihre außergewöhnlichen Gartenprojekte im Orient zu unterhalten.
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Interview: Heike Jaentzko, Jens Haentzschel ∗ Textbearbeitung: Jens Haentzschel ∗ Fotos: Jens Haetzschel ∗ Lektorat: Dr. Ruthild Kropp
JH: Hallo Frau Janetzko, wo erreiche ich Sie gerade?
HJ: Auf dem Flughafen in Frankfurt. Ich bin auf dem Weg nach Kuwait, um mich dort mit Gärtnern zu treffen und um Saatgut auszuliefern. Eine Kurzreise, die zwei Tage dauert. Bei Temperaturen von 45 Grad Celsius hält man es dort nicht wirklich lange aus.
JH: Blöde Frage, aber wann treffen Sie Gärtner bei solchen Temperaturen?
HJ: Ich lande in der Früh um 2 Uhr morgens und mein Termin in der Gärtnerei ist um 3:30 Uhr. Da sind die Temperaturen ein wenig niedriger. In vielen arabischen Ländern verschiebt sich in den Sommermonaten die Arbeitszeit der Gärtner in die Nacht. Eines meiner größten Projekte, der Miracle Garden Dubai, wird bei Tagestemperaturen von bis zu 50 Grad Celsius von Mai bis Oktober nur in der Nacht gebaut. Hier ist ja das Konzept, dass jede Saison ein komplett neues Gartendesign die Besucher anlocken soll.
JH: Sie gelten als „Blumenkönigin von Dubai“. Wie wird man das?
HJ: Ziemlich ungeplant. Ich bin gelernte Dolmetscherin und habe mich nach der Wende um einen Showroom in Dubai für die Thüringer Außenwirtschaftsförderung gekümmert. Produkte „made in Thüringen“ sollten dort bekannter gemacht werden. Jeden Tag ein anderes Produkt vorstellen, das hat Spaß gemacht, aber man verliert dabei schnell den Überblick und irgendwie wollte ich was anderes. Ein Job brachte mich zu einem Saatgutproduzenten, für den ich den Export organisiert habe und irgendwann merkte ich, dass in der Boomregion Dubai zwar viele Häuser entstehen, aber die Themen „Grün“ und „Garten“ kaum eine Rolle spielen. Also habe ich mich auf den Weg gemacht, hab die Bauschilder studiert, mir Namen von Firmen aufgeschrieben und Baufirmen aufgesucht. Und dann traf ich mit Abdel Nasar Y. Rahhal einen unternehmenslustigen Ingenieur für den Landschaftsbau, der eine Idee umsetzen wollte, zu der er Saatgut brauchte. Viel Saatgut.
JH: Sie reden von Ihrem größten Projekt: Sie beliefern den blumenreichsten Garten der Welt mit Saatgut. Der „Miracle Garden“ mit seinen zig Millionen Pflanzen hat sich in wenigen Jahren sehr etabliert.
HJ: Das stimmt, aber alles hat auch seine Vorgeschichte. Das langfristige Ziel war es, eine prächtige und vor allem bunte Gartenoase entstehen zu lassen. Dafür waren Vorbereitungen notwendig, für die er meine Hilfe benötigte und zudem hunderttausende Pelargonien, Petunien oder Vincas. In der Stadt Al Ain, der traditionellen Gartenstadt an der Grenze zum Oman, entstand eine kleinere Gartentestfläche mit den ersten zigtausenden Pflanzen. Wir haben viel experimentiert, u. a. waren wir die Ersten, die in Arabien hängende Petunien ausprobiert haben. Und als Al Ain funktionierte, wurde der Miracle Garden Dubai entwickelt und überraschend schnell auch Wirklichkeit. In Dubai ist Gärtnern immer auch ein Gärtnern der Superlative.
JH: Wie gärtnert man in einer Wüste?
HD: Mit großem Aufwand und mit vielen Tricks. Im Miracle Garden dauert die Gartensaison von November bis April, ab Mai wird abgerissen, geplant, aufgebaut, sodass im Winter ein neuer Garten entsteht. Wir arbeiten in dem Garten mit Modulen, in denen man die Pflanzen im Topf stecken kann. Das Spektakuläre sind für die Besucher in der Tat die Blumenbögen, Pyramiden, Häuser, Würfel, Wände, voll mit Blumen soweit das Auge reicht. Der Trick ist, dass es jede Pflanze in verschiedenen Stadien gibt. Ist der Topf an einer Wand im Miracle Garten verblüht, kommt ein anderer rein, sodass man den Blühzeitraum verlängern kann und die Besucher nicht vor verblühten Wänden stehen.
JH: Ich will nicht unhöflich sein, aber es sieht sehr, sehr bunt aus …
HJ: Das ist in Arabien guter Geschmack und vielleicht der Reiz: dieser Farbrausch. Viele Menschen in Deutschland kennen sich in der Gartengeschichte aus und haben auch immer Bilder im Kopf von Renaissance- oder Barockgärten. In Arabien ist das Thema ein junges Thema und der Reiz ist diese unglaubliche Menge. Ich arbeite aber auch mit anderen Menschen hier auf der arabischen Halbinsel, die Biosaatgut für spezielle Projekte benötigen. Einige gestalten lieber als zu klotzen und setzen auf weniger Farbe, aber dennoch immer auf Menge. Der Miracle Garden ist ein großer Freizeitpark, der den Besuchern ein Wow-Erlebnis bietet. Man muss das nicht mögen, aber 1,5 Millionen Besucher lieben dieses Extreme.
JH: Wie läuft dieser ganze Betrieb ab?
HJ: Es wird geplant, gebaut und das Saatgut bestellt. Ich lasse das Saatgut in Indien, China und den USA anbauen, also in Ländern, die ein vergleichbares Klima haben. Ich ordere meine Mengen und weiß ungefähr, wie sich die Pflanzen verhalten, denn in Dubai oder auch in Katar ist das Klima ja nicht wie in England ein Partner der Pflanzen, sondern eher Konkurrent und Gegner. Ich bestelle das Saatgut, lasse es mir nach Erfurt senden und verpacke es in verschiedene Chargen. Vor Ort wird das Saatgut erst in Anzuchtplatten gesetzt, später kommen die größeren Pflanzen dann in Töpfe. In einer Gärtnerei wird alles betreut. Die Geranien, Petunien, Zinnien oder Tagetes halten hier gut durch, es sind eben riesige Mengen.
JH: Was macht für Sie den Reiz aus?
HJ: Ich war, als ich anfing, immer erstaunt, wie unterschiedlich Saatgut ist. Das kleinste Saatgut bei mir im Unternehmen sind Begonien, da sind ein Gramm rund 80.000 Korn. Dann gibt es eben auch Sonnenblumen, da sind 20 bis 50 Gramm rund 1.000 Korn. Hier sieht man schon den ersten Reiz und dann reizte mich natürlich Arabien. Ich bin in der DDR geboren und wollte schon immer die Welt sehen. Reiz Nummer 3 ist sicherlich, etwas mitzugestalten. Ich kenne Dubai noch vor 15 Jahren, eine Riesenwüste mit wenigen Wolkenkratzern. Nun hat man eine Infrastruktur, die einen schon beeindruckt. Nun kommt die nächste Blüte und die bringe ich teilweise mit. Das macht mich stolz.
JH: Als Frau sicherlich eine große Herausforderung?
HJ: Eher ein Reiz für meine Geschäftspartner. Am Anfang haben die große Augen bekommen, dass da eine Frau als Unternehmerin ins Land kommt und Dinge verkaufen möchte. Ich hatte vom ersten Tag an die Neugier auf meiner Seite und das hat mir dann geholfen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich als Mensch nicht im Mittelpunkt stehen muss. Ich höre zu und das hilft in Arabien entscheidend. Du brauchst Geduld und die haben manche Männer nicht.
JH: Zurück zu den Pflanzen. Ich nehme stark an, es wird immer noch experimentiert. Was ging schief?
HJ: Der Wunsch nach hohen Pflanzen ist nur schwer umzusetzen. Wir hatten mal Sonnenblumen, aber nach einem Sandsturm lag alles am Boden. Die Erwartung des Besuchers ist es, Blüten zu sehen. Uns geht es in erster Linie um eine lange Blühphase. Die botanische Vielfalt spielt keine wirkliche Rolle. Ein Thema, das sich entwickelt hat, sind Duftpflanzen. Viele der Langblüher sind nicht gerade sehr duftintensiv, also gibt es da neue Ideen und die versuchen wir umzusetzen.
JH: Wie oft sind Sie im Jahr auf der arabischen Halbinsel?
HJ: Das ist schwer zu sagen, aber ich reise so zehn bis 15 Mal pro Jahr in ganz verschiedene Länder in der Region. Ich finde die gärtnerischen Bemühungen und Entwicklungen in Arabien sehr spannend. Ich beliefere viele Unternehmen, die z. B. auch für die Familien des Emirs arbeiten. Pflanzen von mir sind also auch Teil der Gartenkultur, die dort langsam entsteht. Nach dem Bauboom steigt das Interesse an Pflanzen und wenn man sich in Dubai bewegt, sieht man traumhafte Anlagen in Hotels oder auch den Wohngebieten. Das sind mehr elegante Landschaftsanlagen, in denen sich großer Reichtum ebenso widerspiegelt wie luxuriöser Geschmack.
JH: Man kommt an der Frage der Nachhaltigkeit nicht ganz vorbei. Ist das nicht auf alles ein großer Wahnsinn an Bauboom?
HJ: Ja, aber der hält nun seit vielen Jahren an. In der Tat achtet nicht jeder immer auf Nachhaltigkeit, aber ich habe in den vergangenen Jahren viele Projekte begleitet, die auf Nachhaltigkeit und Ökologie setzen. Das Thema „Bio“ fasst auch in der Region Fuß, aber natürlich kann man es nicht mit dem Engagement in Europa vergleichen.
JH: Na, dann eine gute Reise und viel Erfolg bei weiteren Projekten.
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