GB Lesen: „Wild Garden“.

Sven habe ich bereits mehrfach für Grünes Blut getroffen und zu seinem gärtnerischen Tun und seinen Reisen befragt. Ende letzten Jahres brachte er sein Buch „Wild Garden“ im Ulmer Verlag raus. Mittlerweile mit dem dritten Platz als bester Bildband in Dennenlohe ausgezeichnet, darf man es wohl als eine Zwischenbilanz seiner Erfahrungen, Kenntnisse und Inspirationen bezeichnen.


Lesezeit: 7 Minuten

Interview: Sven Nürnberger Anke Schmitz ∗ Einleitung: Anke Schmitz ∗ Textbearbeitung: Sven Nürnberger, Anke Schmitz ∗ Fotos: Anke Schmitz ∗ Lekorat: Dr. Ruthild Kropp


GB: Worum geht es im Wesentlichen in deinem Buch?

SN:  Der Ansatz ist wohl meine lange Beschäftigung mit Naturstandorten und daraus resultierend mit Pflanzen in einer ähnlichen Weise zu arbeiten, wie es in der Natur passiert, sich abzuleiten, wie die Pflanzen funktionieren, wie sie sich angepasst haben und was sie im Garten brauchen, damit sie auch einen möglichst optimalen Standort und Versorgung haben. Und ebenso die gestalterischen Möglichkeiten zu beleuchten, wie sich Lebensbereiche naturnah und wildnishaft im Garten umsetzen lassen.

GB: Wie kam es zu deinem Buch?

SN: Das Thema von „Wild Garden“ beschäftigt mich schon seit meinem 16. Lebensjahr. Damals begann ich, mich für Habitate zu interessieren, und war von der gärtnerischen Umsetzung in Botanischen Gärten fasziniert. Abzuleiten, was Pflanzen konkret brauchen, stand dabei zunächst im Fokus, d. h. einen möglichst optimalen Standort und eine artgerechte Versorgung zu garantieren. Der Wunsch, auch gestalterisch Natur nachzuempfinden, ob pflanzensoziologisch korrekt oder nach dem Prinzip des Mixed Garden, wurde ein immer wichtigerer Teil meiner Arbeit. Somit ist „Wild Garden“ für mich auch ein Anhalten, sich Umschauen und Vorfühlen in das, was mich künftig antreiben wird.

GB: Hast Du den Verlag gefragt oder kamen die auf Dich zu?

SN: Der Verlag hatte angefragt, ob ich nicht mal daran gedacht hätte, ein Buch zu schreiben. Hinzu kam noch das Angebot, ein Buch über den Palmengarten zu machen. Das waren dann 2 Buchprojekte auf einmal. Sehr ambitioniert! Aber im Grunde hatte ich für „Wild Garden“ im Vorfeld ein gutes Zeitfenster, um ein bündiges Konzept zu erstellen und genau das umzusetzen, was mir wichtig war.

GB: Was reizt dich an dem Thema seit Jahren?

SN: Das sind verschiedene Aspekte. Das eine ist die Standort-Beobachtung. Was für klimatische Verhältnisse finde ich vor? Welche Bodenverhältnisse stehen an und welche Pflanzen passen sich dort an die Gegebenheiten an? In welcher Kombination treten die Pflanzenarten miteinander in einer Pflanzengesellschaft auf? So bekomme ich im Grunde schon mal eine Idee von einer Lebensgemeinschaft oder einer Lebensweise, die ich mir ein Stück weit ableiten kann auf einen Standort, der sich im Garten für eine Nachempfindung eignen könnte. In dem Moment, in dem ich einen Garten-Standort mit einem ganz bestimmten Ambiente habe, kann ich diesen Lebensbereich ansatzweise in der Natur wiederfinden und Pflanzen entdecken, die diesem Gartenmilieu entsprechen. Aber das geht natürlich nicht 1:1. Zudem reizt mich der Blick auf die Funktionalität der Pflanzen … funktionieren die überhaupt im Garten? Welchen Aufwand kann ich betreiben usw.? Brauche ich spezielle Voraussetzungen, um das Ganze bieten zu können, oder geht das auch auf eine einfache Weise? Die ökologischen Faktoren, auf die sich die Pflanze eingelassen hat, sind eine Orientierung, damit es der Pflanze und der Gemeinschaft im Garten gut geht. Das Habitat in seiner ökologischen Anordnung nachzuempfinden, erfüllt aber ebenso auch ästhetische oder gestalterische Aspekte. Denn wir werden häufig von natürlichen Landschafts- und Vegetationsbildern beeindruckt und angesprochen. Die Natur führt uns zu ihrer ureigenen Ausstrahlung und Schönheit. Ästhetische und ökologische Informationen in der Pflanzenverwendung zusammenzubringen, führt im Idealfall zu einer ganzheitlichen Betrachtung der Disziplinen. Das macht die Sache dann sehr komplex und so interessant! Es besteht dann die Möglichkeit, wenn man die Prozesse der Natur beobachtet, diese Dynamik eines Gartens in die Planung einzubeziehen, natürliche Prozesse zu inszenieren – Sukzession einzuleiten. Dabei ein gewisses Gleichgewicht durch Regulierung einzubringen und zu beobachten, wie sich ein Standort verändert hat und wie man ihn so erhalten kann, dass er meiner Idee von einem Gartenbild entspricht.

GB: Für mich als Rookie: Wie kann ich diese ästhetischen Aspekte in der Natur erfassen, um sie später abzuleiten?

SN: Dahinter stehen Fragen wie: Was berührt mich in der Natur? Auf welche Dinge achte ich in der Natur … Ob es nun die Gestalter-Pflanze ist oder das Zusammenspiel von Pflanzen, wenn sich Blattform, Textur, Fruchtstände etc. miteinander verbinden und ganz bestimmte Effekte entstehen lassen. Dieses stetige Beobachten ist, denke ich, ein ganz wichtiger Prozess. Zum einen die Pflanzenkenntnisse, zum anderen das gestalterische Know-how, die Pflanzenverwendung und dann wie gehe ich mit der Pflanze in diesem Prozess der Entwicklung nachhaltig um? Und wie weit kann ich das garantieren?

GB: Ist es nicht der Hammer, dass unser Ästhetikempfinden total auf diese Verhältnisse, wie sie in der Natur vorkommen, abgestimmt ist?

SN: Ja, im Grunde ist es eine ähnliche Betrachtung, wie man in der Vergangenheit die Symbolik von Pflanzen begründete. Die Betrachtung löst gewisse Assoziationen aus. Ja, ich glaube, wir haben das noch ziemlich im Blut, diese Wirkungen von Pflanzen auf unser Befinden, unsere Stimmungen und Gedanken. Auch in Bezug auf Pflanzen im Kollektiv/Verbund. So löst Wald in uns ja auch irgendetwas aus. Manche haben Angst vor dem Dunkeln und gehen ungerne in den Wald und andere fühlen sich in dieser Urwüchsigkeit und auch geheimnisvoll wirkenden Pflanzenwelt total wohl. Ich glaube, da sind noch tiefe unterbewusste Verbindungen da, auch wenn sie in dieser modernen Welt häufig verloren gehen, aber der Ansatz von dieser Betrachtung der Natur, Verbindung mit der Idee von „Wild Garden“ ist sicherlich ein Stück weit, wieder zurückkehren in diese alten Prozesse und Wirkungsweisen. Dass man sich die Natur auch in den Garten holen kann, um sowohl dieses Grundgefühl der Verbundenheit zu erleben als auch diese Diversität zu schätzen. Sodass man Diversität zusammenstellen, erhalten und inszenieren kann, Prozesse einleitet.

AS: Das ist jetzt kein Buch für den Garteneinsteiger sondern … sind die Landschafts-Architekten oder die Gartenplaner oder Gartengestalter für dieses Buch das Zielpublikum?

SN: Ich persönlich denke, dass „Wild Garden“ eigentlich die gesamte Gartenszene anspricht. Die Gartenwelt ist heute viel naturverbundener. Die Gestaltung naturnaher Lebensbereiche fördert Lebensgemeinschaften und bietet Rückzugsnischen für Insekten, Vögel, Pflanzenarten. Für den Gartenanfänger können die beschriebenen komplexen Lebensgemeinschaften zwar zunächst eine Herausforderung sein. Aber just der Forschergeist und der Enthusiasmus verhelfen doch gerade interessierten Laien in Kürze zum Aufbau von Kenntnissen und Erfahrungen. Durch die Umsetzungsbeispiele hat man die Möglichkeit, sich einzelne Aspekte herauszunehmen und mit denen prinzipiell erstmal zu arbeiten. Wichtig ist insbesondere der Einleitungsteil des Buches. In dem Moment, in dem man sich gewisse Basics aneignet und auch vielleicht im Literatur-Verzeichnis bestimmten Standardwerken nachgeht. Da gibt es sehr viele gute Bücher, die einem wichtiges Grundwissen vermitteln. Da kann man relativ gut und schnell einsteigen. Aber das A und O ist natürlich immer das Ausprobieren im eigenen Garten und ich denke, wenn man erst mal mit einer kleineren Artenzahl und einem kleinen Modul ein Beispiel für einen Lebensbereich startet und ausprobiert, kann man da schon eine ganze Menge Effektvolles erreichen und auch viel Spaß gewinnen.

GB: Und die Bilder sind super!

SN: Schön, das freut mich. Das ist mir auch ganz wichtig gewesen, dass das Visuelle in dem Buch dann ebenfalls Spaß macht, Begeisterung verschafft und ein Stück weit eine gewisse Aufbruchstimmung vermittelt, die man selbst auch spürt, wenn man ein neues Projekt angeht. Das Schöne ist, die Ideen stehen nicht still und „Wild Garden“ soll auch als Anregung dienen, sich das herauszusuchen, was einem gerade besonders spannend vorkommt, und mit weiterführender Literatur tiefer in die Materie vorzudringen, vielleicht Vorträge besuchen, Standorte besuchen und mit den Infos sein eigenes Ding machen. Es ist letztlich der gemeinsame Austausch, der gemeinsame Spaß an der Sache, die unsere Kreativität nährt.

GB: Jetzt habe ich noch 2 schnelle Fragen zum Abschluss. Zum einen warst Du selbst an all den vorgestellten Orten tatsächlich?

SN: Nicht an allen, aber doch an den meisten.

GB: Einiges habe ich wiederentdeckt.

SN: Das was noch ganz oben auf der Reiseliste steht, ist Südafrika.

GB: Genau! Das hatte ich nämlich im Kopf. Darum war ich kurz verwundert, weil Du mir schon mal gesagt hast, dass Du nochmal nach Südafrika möchtest und …

SN: Ja, genau. Das ist durch die schönen Bilder von Klaus Oetjen belegt, und auch Nordamerika durch die Bilder von Cassian Schmidt, das Reiseziel wäre eigentlich in diesem Jahr dran gewesen. Eine wichtige Botschaft des Buches ist daher auch, dass man nicht überall gewesen sein muss, sondern dass man durch Recherche und einem „Sich-visuell-mit-einer-Landschaft-vertraut-Machen“ anhand von Fotos, Vorträgen, Literatur, der Arbeit mit Pflanzen aus diesen Regionen, fachlichem Austausch etc., schon sehr tief in die Materie begeben kann. Ergänzend sind die direkten Standortkenntnisse jedoch von ganz besonderem Wert. Man kann sein Wissen komplettieren, Missverständnisse aufklären, z. B. wenn man am Naturstandort Erkenntnisse gewinnt, die in der Literatur nicht beschrieben sind oder fehlinterpretiert wurden. Das ist ein ganz wertvolles Wissen und natürlich toll, diesen Naturstandort direkt vor Ort auch zu fühlen, zu erleben und sich auch ein Stück weit zu erarbeiten, weil es ja auch unter Umständen mit körperlichen Strapazen, aber auch insbesondere mit schönen Erlebnissen insgesamt zu tun hat.

GB: Wohin geht es als nächstes, sollte man wieder reisen dürfen?

SN: Chile ist weiterhin ein wichtiges Thema, schon durch die freundschaftlichen Verbindungen dorthin. Ansonsten, Neuseeland ist dann ganz weit oben. Und dann möchte ich, das schiebe ich von Jahr zu Jahr raus, eine Sammelreise nach Argentinien machen.

GB: Nach Argentinien komme ich mit. Zum Tango.

SN: Prima. Das wäre schön.

GB: Herzlichen Dank lieber Sven, sowohl für dein Buch als auch für das Gespräch!


NOCH EIN STÜCKCHEN WEITER RUNTERSCROLLEN …

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