GB stellt vor: der Bienenautomat.

Sebastian Everdings Idee fand ich sofort überzeugend, nachdem tatsächlich meine Mutter mir davon berichtete. Sebastian fertigt aus alten Kaugummiautomaten Stationen, an denen man für 50 Cent kleine Kapseln mit Saatgut ziehen kann; die darin enthaltenen Arten richten sich vornehmlich nach dem Futterbedarf heimischer Wildbienen. Die Automaten können ohne großen bürokratischen Aufwand an Hauswänden oder auf Stelen installiert werden und nennen sich Bienenfutterautomat oder kurz Bienenautomat. Wenn Naturschutz echt so verspielt und unaufdringlich daherkommt, dann ist das aus meiner Sicht der erfolgreichste Weg, die breite Öffentlichkeit zu sensibilisieren und zum Mitmachen zu bewegen. Für mich also kein Wunder, dass dieses Herzensprojekt von Sebastian, welches er in seiner Freizeit vorantreibt, mittlerweile in ganz Deutschland zu finden ist.


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Interview: Sebastian Everding, Anke Schmitz ∗ Einleitung: Anke Schmitz ∗ Textbearbeitung: Sebastian Everding, Anke Schmitz ∗ Fotos: Sebastian Everding∗ Lektorat: Dr. Ruthild Kropp


GB: Lieber Sebastian, wie kamst du auf deine Idee mit den Bienenautomaten? Es gibt ja ähnliche Graswurzelbewegungen in den USA …

SE:Um die Entstehung der Idee vollständig verstehen zu können, muss man noch einen Schritt weiter in der Vergangenheit zurück gehen: Anfang 2019 habe ich im Internet erstmals von einem Witzeautomaten erfahren, den ein Kabarettist aus Nürnberg betreibt. Die Idee, einen alten Kaugummiautomaten „zweckentfremdet“ einzusetzen und trotzdem den Charme dieser Technik zu erhalten, hat mich direkt fasziniert, so nahm ich Kontakt nach Süddeutschland auf und wurde kurze Zeit später der Betreiber des zweiten Witzeautomaten weltweit. In dieses Projekt ist damals viel Freizeit eingeflossen und meine Lebensgefährtin sagte damals so einen Satz wie „Wenn du jemals nochmal etwas mit einem Automaten machst, dann sollte es etwas Sinnvolleres sein als nur lustig“.
In unserem eigenen Garten achten wir sehr auf eine naturnahe Gestaltung mit insektenfreundlichen Pflanzen und geeigneten Nisthilfen und es war meine Lebensgefährtin Katrin, die schließlich die Idee hatte, Samenmischungen in einen alten Kaugummiautomaten zu füllen und ihn so zu einem Projekt zur Bienenrettung umzubauen.
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass es damals immer als einzelner Automat von mir als Privatperson konzipiert war, um Dortmunder Wildbienen eine Überlebenshilfe in Zeiten von Monokulturen, Schottergärten und Pestizideinsatz zu geben. Deswegen passt der Vergleich zu Graswurzelbewegungen in den USA durchaus. Mehrere Standorte oder gar eine bundesweite Verbreitung war jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in meinen kühnsten Träumen vertreten …

GB: D. h. es geht bei dem Futterangebot nicht nur um die Honigbiene, sondern in erster Linie um Wildbienen?

SE: Mit aktuell etwa 130.000 Imkern, davon die meisten als Freizeitimker*innen, hat die Honigbiene in Deutschland eine recht große Lobby. Auch die Honigbiene hat mit großen Problemen zu kämpfen, jedoch ist die Situation bei ihren wilden Verwandten weitaus dramatischer, denn von den etwa 560 deutschen Wildbienenarten stehen rund 300 auf der roten Liste, als vom Aussterben bedrohte Arten. Die Hauptprobleme sind dabei immer seltener werdende Nistmöglichkeiten aufgrund von Flächenversiegelung sowie zu aufgeräumten Gärten, in den das Totholz fehlt. Hinzu kommen die immer stärker werdenden Monokulturen in der industriellen Landwirtschaft, die das Nahrungsangebot immer weiter zurückgehen lassen und durch den massiven Einsatz von Pestiziden nicht nur Schädlinge bekämpft, sondern auf Bienen aufgrund der negativen Einflüsse auf die Orientierung oder das Immunsystem oftmals tödliche Folgen hat. Aus diesem Grund sehe ich mich mit meinem Engagement in erster Linie als „Wildbienen-Lobbyist“

GB: Was gab den finalen Impuls, die Sache echt durchzuziehen, also Realität werden zu lassen?

SE: Nachdem der Grundgedanke entstanden ist, merkte ich schnell, dass die reine Automatentechnik nur ein Teil des Projektes sein kann und das passende Saatgut als Füllung von entscheidender Bedeutung ist. Ich wusste bereits, dass man dort viel falsch machen kann und manche Mischungen zwar optisch schön aussehen, unter Umständen aber von heimischen Bienenarten gar nicht angenommen werden. Deshalb recherchierte ich im Internet und stieß auf das deutschlandweit aktive Bildungsprojekt „Bienenretter“. Glücklicherweise lief ich mit meiner Anfrage bei der Initiative aus Frankfurt offene Türen ein, denn dort fand man meine Automaten-Idee vom ersten Moment an sympathisch, um so viele Menschen auf spielerische Art für den Schutz der Wildbienen zu begeistern. Die Bedeutung der Wildbienen als Bestäuber wurde nämlich lange unterschätzt. Viele fliegen schon, wenn es den Honigbienen noch zu kalt oder zu nass ist, und teilweise bestäuben sie Pflanzen, die die Honigbienen aufgrund ihres Körperbaus nicht bestäuben können oder links liegen lassen. Und gerade die Wildbiene hat leider eine viel geringere Lobby als die Honigbiene durch tausende aktive Imker.

GB: Was für Saatgut befindet sich in den Kapseln?

SE: Aktuell bekommt man für 50 Cent zwei verschiedene Samenkapseln, zum einen „Lass deine Stadt aufblühen!“ in drei verschiedenen Regionalmischungen (Süd, Nord-West & Nord-Ost) als mehrjährige Blühmischung bestehend aus rund 40 ein- und mehrjährigen Wild- (70%) und Kulturkräutern (30%), die das ganze Jahr ein reichhaltiges Nektar- und Pollenangebot bieten.  Zum anderen die ein-& zweijährige Blühmischung „Bienenfreundin“. Diese ist niedrigwachsend mit rund 50 ein- und zweijährigen Bauerngartenpflanzen (Kulturarten) und heimischen Wildstauden für Balkone und Kübel – aber auch für Gärten und Brachen – geeignet.  Ab September gibt es auch Kapseln mit Knollen/Zwiebeln des Frühlingskrokus, denn bunte wilde Krokusse bieten insbesondere staatenbildenden Bienen und Hummeln ein frühes wichtige Pollen- und Nektarangebot im Jahr. Krokusse vermehren sich und bilden nach einigen Jahren blühende Teppiche im Freiland und somit eine dauerhafte Nahrungsgrundlage.

GB: Du musst ja leider noch auf Plastikumhüllung zurückgreifen … was sind die Gründe und deine Lösung dafür?

SE:Der Aspekt der Nachhaltigkeit liegt uns vom ersten Tag an sehr am Herzen. Aus technischen Gründen ist es aktuell leider nicht möglich, Alternativen zu den Kunststoff-Kapseln zu nutzen. Denn die Technik der 70er-Jahre funktioniert nur mit einer festen Hülle. Kapseln aus Maisstärke, Cellulose oder Gelatine haben den Praxistest leider nicht „überstanden“ – Wir suchen aber trotzdem weiter nach Alternativen. Aus diesem Grund hängt aber neben jedem der Automaten eine gelbe Sammelbox, in der die leeren Kapseln zurückgegeben werden können, um im Anschluss dann wieder neu befüllt zu werden. Das eigene „Mehrweg-System“ funktioniert dabei nach ersten Erfahrungen hervorragend. Gerade die kleinen Bienenfreunde legen größten Wert darauf, keinen Müll zu produzieren.

GB: Schon mal unverhofft auf ne Wiese getroffen, die quasi von dir war? Was ist das für ein Gefühl?

SE:Inzwischen erreichen mich via E-Mail oder Facebook/Instagram regelmäßig Fotos von kleineren und größeren Blüh-Inseln in Gärten oder auf Brachflächen und Balkonen. Der Gedanke daran, dass vielleicht in diesem Moment irgendwo in Deutschland eine Biene oder Hummel auf einer Blüte sitzt, die es ohne dieses Projekt vielleicht niemals gegeben hätte, macht mich dann schon ein bisschen stolz und glücklich.

GB: Ich finde deine Automaten echt Hammer, gerade weil sie ohne moralisch erhobenem Zeigefinger auskommen. Wenn ich jetzt z. B. als schicke, ökologisch ausgerichtete Gärtnerei, aber auch als Privatperson, so einen Automaten installieren will, mit welch einem zeitlichen Vorlauf und Kosten muss ich da rechnen und welche Grundbedingen für die Anbringung sollte ich erfüllen?

SE: Generell ist jeder bei unserem Bienenautomaten-Projekt herzlich willkommen mitzumachen. Da ich alle Automaten in Handarbeit bearbeite und sehr viele Arbeitsschritte auf dem Weg vom verbeulten und verrosteten Kaugummiautomaten bis zum rapsgelben Bienenautomaten erforderlich sind, beträgt die Wartezeit nach der Bestellung schonmal bis zu acht Wochen.
Grundvoraussetzung für die Anbringung ist zunächst einmal eine stabile Mauer oder Hauswand und die Zustimmung der Besitzer. Mit etwas technischem Geschick sind auch Montagen an (Metall-)Zäunen möglich. Aufgrund des hohen Gewichts und der leider immer vorhandenen Vandalismus-Gefahr sollte man hier am besten Profis ranlassen.
Eine Genehmigung beim Ordnungsamt der jeweiligen Stadt/Kommune ist in der Regel nicht erforderlich. Wenn der Automat auf dem eigenen Grund aufstellt und nicht in den öffentlichen Raum ragt, ist man meist auf der sicheren Seite. In den meisten Sondernutzungssatzungen (SNS) der Kommunen steht: „Sofern der Automat mehr als 30 cm in den öffentlichen Weg hineinragt, ist eine gebührenpflichtige Sondernutzungserlaubnis erforderlich.“ – Die Automaten sind in der Regel nur 19 cm tief – Also entfällt dies in der Regel glücklicherweise. Einige Kommunen weichen aber von dieser 30-cm-Regel ab. Da ich aber kein Jurist bin, empfehle ich vorab einen Anruf beim zuständigen Ordnungsamt.

GB: Du sprachst gerade schon davon, dass du nie davon geträumt hättest, dass deine Bienenfutterautomaten so populär werden. Karl Förster sagte ja mal „Wer Träume verwirklichen will, muss wacher sein und tiefer träumen als andere!“ Was wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt dein Traum für die Zukunft der Bienenfutterautomaten?

SE: Naja, wenn ich nach meinen ersten Traum-Erfahrungen nun etwas größer ansetzen darf, so wäre es natürlich mein Traum, dass die Bienenautomaten ein Baustein dabei werden, dass die Gesellschaft und die Politik die dramatische Lage in Sachen Insektensterben erkennt und an vielen Stellen massive Kurskorrekturen in der Umwelt- und Klimapolitik durchgeführt werden und auch jede/r Gartenbesitzer*in eine Auswahl der Bepflanzung mehr nach ökologischem Mehrwert als nach Optik trifft, sodass die Bienen „Zusatzmahlzeiten“ dankend ablehnen und meine Automaten somit irgendwann überflüssig werden.

GB: Lieber Sebastian, hab herzlichen Dank für deine tolle Idee und deine Zeit!